STABLISTE
Regie/Autor: Andreas Voigt
Kamera: Johann Feindt, Marcus Winterbauer, Jacek Blawut
Ton: Uwe Busch, Bernd Popella
Montage: Marina G. Künzel
Musik: Hannes Zerbe
Produktion: Barbara Etz Filmproduktion und "a jour Film" in
Coproduktion mit NDR/arte
Produktionsjahr: 2004
Format: 35mm, 1:1,66, 25B/s, 89 Min., Farbe
FSK: ohne Altersbeschränkung
Originalsprachen: frz., engl., span., poln., dt., arab.
mit deutscher voice over


KURZINHALT

Sie versuchen, möglichst unsichtbar zu bleiben: Die illegalen Einwanderer aus Nigeria, Tschetschenien,
Ecuador oder Algerien leben ständig mit der Angst, wieder in ihre Heimat abgeschoben
zu werden. „Ich habe nur ein Ziel und das ist Europa“, sagt der Schwarzafrikaner Oumar, der in
Ceuta, einer spanischen Exklave in Marokko, in einem Durchgangslager für Flüchtlinge festgehalten
wird. Aus zwei zusammen geschnürten Kanistern hat er sich eine Schwimmweste gebastelt
und ist damit im Dezember durch das kalte Mittelmeer geschwommen bis ihn spanische
Grenzbeamten aufgriffen. Doch sein Antrag auf Asyl wurde abgelehnt.
Seit zehn Jahren illegal in Deutschland lebt der desertierte Offizier Zakari, der in Algerien seine
Familie zurückließ, weil er nicht im Bürgerkrieg kämpfen wollte. Da die deutsche Justiz ihn nicht
als politisch Verfolgten anerkannte, ist er untergetaucht und hält sich mit Aushilfsjobs in Restaurants
über Wasser.
Schon fünfmal ausgewiesen wurde die Transsexuelle Edita aus Ecuador, die sich in Paris sicher
fühlt. Nach harter Arbeit in einem Bergwerk verdient sie ihr Geld dort nun auf dem Straßenstrich.
Eine neue Existenz versucht sich Malika mit ihrer Familie in Polen aufzubauen. Als 1994 in
Tschetschenien der Krieg ausbrach, floh sie nach Moskau, wo ihre politische Untergrundarbeit zu
Hausdurchsuchungen führte. Traurig zeigt die Frau Fotos von ihrem Dorf, das heute in Trümmern
liegt. Gemeinsam mit ihrer Familie betreibt sie in Warschau jetzt ein kleines Schnellrestaurant.
Weniger Glück hat der 23-jährige Nigerianer Prince, der aus dem niederländischen Abschiebegefängnis
in Tilburg in seine Heimat zurück befördert wird.
„Du bist in Europa, wenn Du Papiere hast. Du bist nicht in Europa, wenn Du keine Papiere hast“,
resümiert Oumar aus Guinea Bissau.
Mehr als ein Jahr lang begleitete Andreas Voigt fünf Flüchtlinge, die für ihren Traum von einem
besseren Leben in Europa alles aufgegeben haben. INVISIBLE zeigt die bewegenden Schicksale
dieser Menschen, die eines gemein haben: Sie wurden zur falschen Zeit am falschen Ort geboren.

Birgit Heidsieck

DIE PROTAGONISTEN

Zakari (desertierter algerischer Offizier, lebt in Deutschland)
„Ich bin jetzt seit 10 Jahren hier. Ohne Papiere, ohne zu Hause, ohne Frau, ohne Kinder, ohne
Arbeit. Sie haben mich gefragt, ob sie einen Film über mich drehen können. Ich habe &Mac226;Ja'
gesagt. Über das Leben von einem ohne Papiere. Das Leben eines Vagabunden. Warum ich
mitmache? Ich will, dass alle erfahren, wie ich lebe, wie ich die zehn Jahre hier verbracht
habe...mit meiner Angst, mit allem.“

Oumar (aus Guinea Bissau, im Flüchtlingslager in Ceuta)
„Ich bin nur noch 25 km weg, aber ich kann nicht dort rüber, das macht mich wirklich krank.
Da drüben ist Europa ... Ich sehe die Reisenden jeden Tag, doch ich bin immer noch hier.
Wenn hier eine Wüste wäre, dann wäre ich schon angekommen, wenn es ein Fluß wäre, dann
würde ich schwimmen, aber hier ist das Mittelmeer und ich kann nicht rüber.“

Malika (aus Tschetschenien, lebt in Warschau)
„Am 11. November 1994 sind die russischen Truppen in Tschetschenien einmarschiert und am
12. habe ich meine Arbeit niedergelegt. Ich konnte einfach nicht mehr hingehen egal, ob ich
irgendwelche Rentenansprüche verliere oder sonst was. Ich bin durch die Strassen Moskaus
gelaufen und habe gesucht: gibt es irgendwo ein Treffen, gibt es eine Demonstration, treffe
ich einen Russen, der auch gegen den Krieg ist. Dann kamen die Hausdurchsuchungen.
Nachts um drei kam die „Omon“, die Spezialeinheit - sie haben unsere Papiere kontrolliert, so
ging das immer weiter. Wir mussten das Land dann verlassen, weil wir in Moskau gegen den
Krieg gearbeitet haben.“


Prince (aus Nigeria, sitzt in einem holländischen Abschiebegefängnis)
„Ich hatte einen Job in einer Hühnerfarm. Dann kam mal eine Kontrolle und ich hatte keine
Papiere. Sie haben mich zur Polizeistation gebracht und dann hierher ins Gefängnis. Ich will
in Europa bleiben. Ich war anderthalb Jahre hier. Europa ist ein sehr entwickeltes Land in dem
man gut und normal leben kann. Es gibt keine Verbrechen, keine Kriminellen. Seit ich in Europa
bin, habe ich nie Leute auf der Strasse kämpfen gesehen. In Afrika ist es verdammt hart.
Du siehst eine Menge Leute kämpfen und es gibt schrecklich viel Kriminalität. Europa ist sehr
gut. Ich liebe Europa.“

Edita (aus Ecuador, lebt in Paris)
„Ich war ein stiller Homosexueller. Ein Junge, dem die anderen Jungen gefielen. Aber in Ecuador
konntest du damals als Homosexueller nicht leben. ... Auch wenn ich hier noch keine legale,
sichere Situation habe, im Alltag fühle ich mich sicher - mal abgesehen von der ersten Zeit
hier, als sie mich immer wieder ausgewiesen haben. Ich glaube, ich bin fünf mal ausgewiesen
worden. Aber auch wenn sie mich immer wieder abgeschoben haben, ich bin eine Woche,
einen Monat in Ecuador geblieben und wieder zurückgekommen. Europa ist - einen Traum
haben, arbeiten, Geld verdienen ... und Europa hat mir meinen Frieden gegeben. Um in Ecuador
zu überleben, musst du leiden. Hier in Europa kann ich als Transsexuelle leben, kann mit
meinem Körper Geld verdienen. Mit diesem Geld kann ich meine Familie in Ecuador unterstützen.“



NOTIZEN ZUM FILM

„Grenzen, der Verlust von Heimat und die Suche nach ihr sind kein Problem dieses Jahrhunderts
und doch haben sie wohl nie bisher das Leben so vieler Menschen bestimmt. Ich wollte
von Menschen erzählen, die mitten unter uns leben - ohne Papiere, illegal. Es gibt keine
genauen Angaben für Europa. Aber allein in Deutschland schätzt man die Zahl der Illegalen
auf mehr als 1 Million. Sie könnten Nachbarn sein, Menschen denen ich täglich auf der Strasse
begegne.Wie ist ihr Alltag, was sind ihre Hoffnungen, ihre Träume? Davon wollte ich
erzählen. Und davon, wie verschieden die Gründe sind, die Menschen dazu bewegen, ihr
Zuhause zu verlassen, ihre Heimat.“
„Es geht nicht in erster Linie um Elend, Leid und Krieg - zumal ohnehin nicht alle diesen Hintergrund
haben. Es geht um den Alltag, den sie leben und bewältigen. Nicht Trauer und Angst
stehen im Mittelpunkt, sondern die Kraft dieser Menschen, ihr Sich-Durchsetzen-Wollen und -müssen“.
„Bei meinen Recherchen hat mich die Offenheit aller beeindruckt, die ich getroffen habe. Sie
haben mich teilhaben lassen an ihrem Leben, mir von sich erzählt. Sicher hat das auch damit
zu tun, dass sie oft lange niemanden mehr hatten, der ihnen zuhört, dem sie sich mitteilen
können. Es ist die Einsamkeit, das fast nur Auf-Sich-Gestelltsein, das diejenigen, die in solchen
extremen Situationen leben, aushalten müssen. Und bestimmt ist es ein Bedürfnis, das
wir alle haben - auch heute in unserer vernetzten und globalisierten Welt: ein Feuer anzünden,
sich dazusetzen, Geschichten erzählen und zuhören.“
Andreas Voigt