Charlotte in Schweden


„Charlottes bescheidene Art konnte einen glatt umhauen“ Rosa
„O wie schön der Kronleuchter ist.“ Das sollen Charlotte von Mahlsdorfs letzte Worte gewesen sein, auf der Trage in der Charité. Das hat Rosa von Praunheim gehört. Von Freunden, die auch zum engsten Freundeskreis Charlotte von Mahlsdorfs gehörten. Ob der Ausspruch wahr oder bereits eine Legende ist, weiß von Praunheim nicht: "Aber passen würde es zu ihr", sagt er.
In "Tunten lügen nicht", ist auch Charlotte von Mahlsdorf zu sehen. Eine Szene, gedreht in Schweden, in ihrem dortigen Wohnort Porla Brunn. "Wir haben Charlotte im vergangenen Sommer besucht und viel gedreht", sagt von Praunheim. Bisher habe das Material kein Sender haben wollen. "Jetzt machen wir einen Kurzfilm daraus und zeigen ihn vor den Tunten ", sagt er.
In Praunheims Wohnung hängen die Filmplakate - auch in Schweden und den USA lief "Ich bin meine eigene Frau" mit großem Erfolg. "Der National Arts Club Manhattan hatte Charlotte eingeladen, aber sie wollte nicht kommen", sagt der 59-jährige, der zurzeit eine Professur an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam hat. Sie hatte Angst vorm Fliegen und auch Autofahrten hat sie nicht gemocht, wegen ihrer Neigung zur Thrombose. Deshalb sei Schweden ihr einziger Auslandsaufenthalt gewesen.
Die Übersiedlung 1997 kam allerdings auf Betreiben der beiden Frauen zu Stande, mit denen Charlotte von Mahlsdorf damals zusammenlebte: "Die waren die treibende Kraft", sagt der Regisseur. Von Praunheim berichtet über unschöne Auseinandersetzungen, von Geldgier, und dass es Charlotte von Mahlsdorf zuletzt mit Hilfe von Freunden gelungen war, sich - auch juristisch - von beiden zu lösen. Aus jedem seiner Worte spricht tiefe Sympathie: "Charlotte war nicht nur eine wichtige Persönlichkeit für die Schwulenbewegung, sondern ein Mensch, der einen in seiner schlichten Art, gepaart mit einem unheimlichen Wissen, glatt umhauen konnte."
Ovo Maltine (Christoph Josten), Moderatorin, Kabarettistin und 1998 als erste bekennende Tunte Kandidatin im Bundestagswahlkampf, spielt eine der Hauptrollen in Praunheims neuestem Film. Er kennt Charlotte von Mahlsdorf seit Anfang der 90er-Jahre. Für den 36-Jährigen ist sie ein Vorbild: "Sie hat gezeigt, dass man auch als alte Tunte noch unheimlich Würde und Spaß am Leben haben kann." Wichtig sei, dass ihr Lebenswerk erhalten bleibe.
Für das Mahlsdorfer Museum sorgt der Förderverein. Doch was aus der ehemaligen "Villa Hamilton" in Schweden wird, weiß keiner. Ein Testament ist noch nicht aufgetaucht. Günter Erlebach, Hotelier in Porla Brunn: "Ohne Charlotte wird unser Ort wohl kaum noch Besucher haben, sie war die Attraktion hier." Am Montag hätten acht Besucher vergeblich gewartet, dass sich die Museumstüren öffneten.(el.)
Berliner Zeitung, 15. Mai 2002




Ein Kurzfilm von Rosa von Praunheim

Buch und Regie: Rosa von Praunheim

Deutschland, 2002, 14 Min. DVD, Betacam SP