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  • Outlaws

    D 2000, Farbe und s/w, 35 mm und DVD, 93 Min.

    BESETZUNG

    mit:




    Andreas, Dominik,
    Felix, Marcel,
    Michael, Rocco,
    und
    Natalie Hünig

    STAB

    Buch und Regie
    Kamera
    Kameraassistenz
    Montage
    Schnittassistenz
    Musik
    Ton
    Tonmischung
    Produktionsleitung
    Redaktion

    Produktion
    Rolf Teigler
    Lars Barthel
    Günter Berghaus
    Inge Schneider
    Susanne Schiebler, Clemenz Seiz
    Michael Ferwagner, Ralf Forster
    Marc von Stürler
    Klaus Hornemann
    Jörg Streller
    Annedore v. Donop

    “der garten" - Filmproduktion in Zusammenarbeit mit der Sendereihe “Ostwind"/RBB, Redaktion: Cookie Ziesche, ZDF/ “Das kleine Fernsehspiel", Produktion und Verleih gefördert durch die Mitteldeutsche Medienförderung

    BIOGRAFIE

    Biofilmografie Rolf Teigler

    1957 geb. in Unna (Westfalen)

    Studium Anglistik und Germanistik mit Schwerpunkt Film
    Lehrer in North Yorkshire / England
    Schauspieler und Regisseur bei APE Theatre Group in Aachen 81 - 86
    Filmkritiken; Filmanalyse-Seminare
    Studium an der DFFB Berlin, 86-92
    Abschlußfilm: “Die verlorenen Kinder"
    Filmworkshops und Dozent an verschiedenen Filmhochschulen
    Videoarbeit mit Strafgefangenen
    1999 Gründung: “Der garten-Filmproduktion" mit Jörg Streller und Marc von Stürler
    seit 2001 Filmworkshops und Seminare immer häufiger am gesellschaftlichen Rand




    FESTIVALS / AUSZEICHNUNGEN

    2000
    2001




    2002
    Uraufführung: Internationales Leipziger Dokumentarfilmfestival
    Münchener Dokumentarfilm Festival
    Festival of Visual Arts Mediawave, Györ, Ungarn, New-Delhi Filmfestival

    Publikumspreis Mediawave Festival: Györ/Ungarn

    Franz Hofer Preis 2002 für eine "herausragende Leistung": “Rolf Teiglers faszinierende Semi-Dokumentation über die Dreharbeiten eines Films mit Gefängnisinsassen als Hauptdarsteller und Drehbuchautoren ist auch eine Anerkennung für einen Film, der eine größere Aufmerksamkeit verdient hat." (Begründung der Jury)

    INTERVIEW

    Interview mit Rolf Teigler

    “Wie bist du zu dem Thema gekommen?"
    Vor zwei Jahren hab ich zum ersten Mal ein Gefängnis von innen gesehen. Der Anlass war völlig harmlos, ein Freund hatte mich zur Aufführung eines Gefangenentheaters eingeladen. Ich habe von dem Stück gar nicht viel mitgekriegt, denn die Umstände, unter denen es gespielt wurde, waren stärker. Die Schauspieler waren Mörder, Diebe, Drogendealer, Räuber, genau konnte man das ja nicht sehen. Im Zuschauerraum saßen sie auch, vielleicht sogar direkt neben mir, auch das konnte ich nicht wissen, vielleicht waren es auch kunstbeflissene Theatergänger oder Journalisten eines Berliner Stadtmagazins. Was ich spürte: Der Raum war voll, bedrückend voll mit menschlichen Schicksalen, mit Geschichten, mit Abgründen. Ich bin dann immer wieder zu Proben der gefangenen Schauspieler gegangen und habe mit ihnen geredet. Ihre Schicksale, so wie sie sie mir erzählt haben und wie sie es in Theaterimprovisationen verarbeiten, haben mich so beeindruckt, daß ich von dem Thema nicht mehr losgekommen bin.

    “Wie war es möglich, eine Erlaubnis für Dreharbeiten im Gefängnis zu erhalten?"
    Mein erster Kontakt bestand zu der Theaterpädagogin Uta Plate, die das Theaterprojekt in dem Jugendgefängnis Ichtershausen aufgebaut und geleitet hat. Sie hat mich sowohl bei der Anstaltsleitung als auch bei den Gefangenen eingeführt. Von daher war ein gewisser Weg schon geebnet. Als Einstieg habe ich dann mit der Theatergruppe einen kurzen Videofilm gedreht. Dieses Projekt hat nur eine Woche gedauert, und es war vereinbart, daß der Film niemals veröffentlicht wird. Im Vorfeld gab es Vorgespräche mit den Justizbehörden und dem Anstaltsleiter, um die Bedingungen für unsere Arbeit festzulegen. Und ich kann nur sagen, daß es da einen großen Vertrauensvorsprung gab, da meine Gesprächspartner sich etwas für die Jugendlichen erhofften, denn Ihnen ist natürlich klar, daß das Freizeitangebot in einem Jugendgefängnis so gut wie gar nicht existiert und eine Arbeit, wie wir sie planten, auch etwas Therapeutisches haben kann. Für mich war dieser erste Kurzfilm eine Möglichkeit, mich vorzustellen und die Jugendlichen kennenzulernen. Die Rahmenbedingungen für die Dreharbeiten zu dem Dokumentarfilm auszuhandeln, war viel schwieriger, und es stand mehr als einmal auf der Kippe. Innerhalb der Justizbehörden gab es einige Gegner, die keinen Sinn in einem solchen Projekt sahen, da es für einen Gefängnisalltag nur störend sein kann, wenn fünf Leute mit Filmgeräten rumlaufen und sogar einen kurzen Spielfilm drehen. Der sehr reglementierte Gefängnisalltag muß darunter leiden, und es ist nur mit viel mehr Aufwand und Personal möglich. Es gab aber immer auch Förderer, sowohl im Justizministerium als auch innerhalb der Anstalt. Bei den Dreharbeiten haben sich die Anstaltsleitung und viele Mitarbeiter dann als sehr kooperativ gezeigt. Uns war immer klar, daß wir in einem Gefängnis mit seinen enormen Sicherheitsbedingungen sind und nicht in einem Freizeitpark. Zum Beispiel mußten wir immer begleitet werden, da jede Tür verschlossen ist und man nicht einfach mal von einer Etage zur nächsten gehen kann. Darüberhinaus durften wir jeden Tag nur bis 16Uhr drehen und mußten eine Woche vorher festlegen, wann wir was, wo, mit wem drehen wollten. Im Nachhinein stellte ich dann fest, daß durch diese Vorgaben meine Vorbereitungen sehr präzise sein mußten. Das hat mir meine Arbeit dann sogar erleichtert.

    “Welche Erwartungen hattest du?"
    Ich habe mich für die Theatergruppe in einem Jugendgefängnis in Thüringen entschieden, weil ich hier die Situation von Jugendlichen in einem neuen Bundesland wie unter einem Brennglas beleuchten konnte. Ich stellte mir vor, etwas über die persönlichen Entwicklungen der jungen Männer während der Nachwendezeit zu erfahren, die sie in eine Randexistenz, in die Kriminalität geführt hat. Die Realität sollte mich jedoch lehren, daß die Bedingungen in einem Knast es schwer machen zurückzublicken, die Vergangenheit zu analysieren. Die Gegenwart ist so stark und so zermürbend, da gibt es wenig Platz für Rückblicke. Umso weniger, als für die jungen Männer die DDR kein Thema war und sie sich von dem Land, in dem sie geboren wurden, abgrenzen, wo sie nur können, unter anderem, indem sie sich drüber lustig machen. Sie wollen in den Westen und haben sich dessen vor allem materielle Werte angeeignet und träumen vom Leben im Luxus und Reichtum. Ich hab die klaustrophobische Realität des Gefängnisses also übernommen und im Laufe der Drehzeit immer mehr gemerkt, daß auch ich nur noch an dem seltsamen Innenleben dieser Institution und seinen Bewohnern interessiert war.

    “Welche Erfahrungen hast du gemacht?"
    Ich habe die Erfahrung gemacht, daß ein Gefängnis in jeder Hinsicht von hohen Mauern umgeben ist. Auch die Köpfe aller hier lebenden und arbeitenden Jugendlichen sind wie abgeschottet, oft aus Angst, denn ein falsches Wort an der falschen Stelle kann gefährlich werden. Der Druck der Gruppen, offizieller wie inoffizieller, ist enorm groß. Wenn also immer wieder von den zu liberalen Zuständen in den Gefängnissen gesprochen wird, dann mag es zwar sein, daß die einen kleinen Fernseher auf der Zelle haben, auf dem sie 3 Programme empfangen dürfen, und daß sie jeden Tag zum Krafttraining dürfen, aber das heißt gar nichts. Es gibt, zumindest in Deutschland, fast nichts Vergleichbares. Bei allen Liberalisierungs- und Resozialisierungsmaßnahmen ist die Situation in einem Gefängnis am ehesten mit Schicksalsschlägen wie Unfall, Krankheit oder Krieg zu vergleichen. Und diesem Zustand sind die Gefangenen oft über Jahre hinweg ausgeliefert, und der Gedanke, daß es hier zu einer tatsächlichen Läuterung kommen sollte, ist fast grotesk. In einem Jugendgefängnis ist die Situation noch zugespitzter, weil die gar nicht wissen, wohin mit ihrer Kraft und Energie. Sie können sie nur in Macht- und Kraftspielen ausleben, und darunter leiden die Schwächeren elendig. Und Mitleid hat an diesem Ort niemand zu erwarten.

    “Was hat dich am ehesten beeindruckt?"
    Wie die Jugendlichen mit dieser Situation umgehen. Daß sie das tatsächlich aushalten und sich dem stellen, selten rumjammern und es so nehmen, wie es ist. Ihnen bleibt natürlich auch nichts übrig. Ihnen ist ja schon klar, daß sie sich das selber eingebrockt haben. Es ist allerdings bei vielen so, daß ihre Lebensumstände draußen, außerhalb des Gefängnisses, so schwierig waren, so chaotisch und für sie nicht zu bewältigen, daß der bis ins Detail geregelte Alltag im Knast schon wieder eine Entlastung ist. Ich hab mir oft versucht, vorzustellen, wie die Lebensumstände der Jungs gewesen sein müssen, in welchem bedrückenden Umfeld sie groß geworden sein müssen, was sie alles vermißt haben, wenn sie das aushalten. Ich weiß für mich: ich könnte das nicht.

    TEXTE ZUM FILM

    Zum Film Frischfleisch

    Frischfleisch ist der Kurzfilm, den die Gefangenen gemacht haben. Es geht um den neu eingelieferten Gefangenen Conny und seine ersten Stunden im Gefängnis.

    Frischfleisch / Darsteller /Stab

    Conny Marcel
    1. Vollzugsbeamter Herr Heilmann
    2. Vollzugsbeamter Herr Josch
    Gefangener Teigler Andreas
    Gefangener Steller Michael
    Cornelia Natalie Hünig
    Cornelias Lover Jörg Bucher

    Buch Theatergruppe der JSA Ichtershausen
    Regie Felix
    Regieassistenz Rolf Teigler
    Kamera Günter Berghaus
    Rocco
    Montage Susanne Schiebler
    Assistenz Inge Schmitt,
    Musik Michael Ferwagner, Ralf Forster
    Ton Siggi, Dominik
    Produktionsleitung Jörg Streller

    Festivals 2001 Grenzlandfilmtage Selb
    Kurzfilmfestival Dresden
    Sehsüchte Festival,
    Potsdam Babelsberg
    Filmfestival Münster
    Filmschau Frankfurt

    Produktion “der garten" - Filmproduktion
    gefördert mit Mitteln Kulturellen Film-
    förderung des Freistaates Thüringen

    Kurzspielfilm, 10 Min., s/w



    Notizen zu Dreharbeiten im Gefängnis

    4 Wochen haben wir für unseren Dokumentarfilm OUTLAWS in einem Jugendgefängnis in Thüringen verbracht. “Jugendstrafanstalt" heißt es im offiziellen Justizdeutsch. Die Insassen sind zwischen vierzehn und zweiundzwanzig. Die Verbrechen, für die die Jugendlichen einsitzen, gehen quer durch die Palette der Kriminalstatistik: Diebstahl, Drogen, Raub, Körperverletzung bis zum Mord, obwohl das eher selten ist. Selten unter anderem deshalb, weil Jugendlichen die bei Erwachsenen häufigen Affekthandlungen und aufgestauten Frustrationstötungen noch fremd sind. Die Gewalt unter Jugendlichen ist offen, unverstellt und direkt. Man sagt uns, daß es hier schlimmer ist als im Erwachsenenknast, unruhiger, aufgedrehter, erbarmungsloser. Die Erwachsenen wollen ihre Ruhe, die klären ihre Positionskämpfe schnell und sicherlich nicht weniger brutal, aber damit sind Grenzen ein- für allemal gezogen, und jeder weiß Bescheid. Bei den Jugendlichen ist es ein ständiges Sich-Messen, Sich-Ausprobieren, Sich-Wichtigtun. Der Alltag ist ein permanenter Kampf ums Image. Und dieses Image ist umso besser, je mehr Macht man sich verschafft. Die bekommt man, indem man andere unterdrückt. Unterdrückung heißt andere zu bestehlen, sie wie Diener, wenn nicht gar wie Sklaven zu halten, ihnen jede Würde zu nehmen und sie, wenn es sein muß, körperlich zu strafen. Nur durch rigide Maßnahmen können sie zur Ruhe gezwungen und voreinander geschützt werden.
    Die Jüngsten und Schwächsten werden von den Älteren und Stärkeren getrennt, und in die sogenannte geschützte Abteilung verlegt, wo sie nicht permanent der Willkür anderer Gefangener ausgeliefert sind. Daß neben dem offiziellen Justizapparat eine interne Gefangenenhierarchie herrscht, deren Getriebe durch keine noch so rigiden Maßnahmen gestoppt werden kann, ist ein alltäglicher Fakt. Die Starken, das sind die Bosse. Die Schwachen, das sind die Mutzen oder die Ritzen. Die weibliche Anrede ist gewollt. Die Diener sind die Frauen, die müssen putzen, und die müssen auch schon mal, das wird uns aber nur in einem Nebensatz erklärt, den Bossen einen blasen.

    Wer oben sitzt und wer unten, das ist ungefragt klar. Wer es wagt, seine ihm gesetzten Grenzen zu überschreiten, erlebt Fürchterliches. Irgendwann sind die Türen verschlossen, oder ein Wärter sieht bewußt oder unbewußt gerade mal nicht hin, und dann werden offen gebliebene Rechnungen bezahlt. Dann gibts einen aufs Maul, so nennen sie das selber. Sie reden darüber mit einer Selbstverständlichkeit, die zeigt, daß das Einstecken und Austeilen gewöhnlicher Alltag für sie ist. Spricht man sie darauf an, ist es ihnen peinlich. Sie stottern, und scheinen in einer fürchterlich schizophrenen Zwischenwelt zu leben. Auf der einen Seite die moralischen Werte der weit entfernten Welt draußen, die ihnen sagen: Das darfst Du nicht.

    Auf der anderen Seite das Ausleben von übermächtigen Trieben, denen sie ausgeliefert scheinen und die dazu führen, daß ein Gefangener, der bis dahin nichts mit Gewalt zu tun hatte, einen Mitgefangenen in einer verschlossenen Zelle halbtot schlägt, weil er ihm nicht die Schuhe putzen wollte. Solche Vorfälle haben sie schon kurze Zeit später vergessen - wie auch immer, wahrscheinlich verdrängt. Es ist fast unmöglich, mit ihnen darüber zu reden.
    Frischfleisch, so nennen sie die neu Inhaftierten. Ein Gefangener hat uns die ersten Stunden im Knast so geschildert: Da wird einer mit 16 oder 17 Jahren zum erstenmal hier eingeliefert. Der kennt niemanden, der kennt sich nicht aus. Der hat alle Freunde, die Familie, die Freundin für lange Zeit hinter sich gelassen. Dann wird ihm alles abgenommen, was er mal besessen hat. Am Ende wird er mit einer Plastiktüte in der Hand einen Gang entlanggeführt. Irgendwann fällt die Tür hinter ihm zu, dann dreht der Wärter den Schlüssel rum und geht. Und dann ist er plötzlich mit zwei wildfremden Typen allein, und die kennen sich aus. Die langweilen sich und haben riesige Lust, etwas zu erleben. Als erstes nehmen sie ihm das wenige,
    was er besitzt. Und dann machen sie mit ihm, was sie wollen. Wenn ich diese Geschichten höre und die blassen Milchgesichter sehe, dann stelle ich mir vor, was sie sich alles antun in den vielen Stunden hinter verschlossenen Stahltüren. 24 Stunden am Tag haben sie Zeit. Auch nachts um zwei müssen die Diener aufstehen und Kaffee kochen, Zigaretten stopfen, den Boden oder das Klo putzen, mit dem Besenstiel im After nackt auf dem Stuhl tanzen und singen. Was immer einem der Bosse gerade so einfällt. Machtspiele nennt man das, halb kindlich noch, spielerisch eben, in letzter Konsequenz aber eine gute Vorbereitung aufs Leben. So ist es nun mal, ist ihr einziger Kommentar dazu. Es befriedigt dich eben, sagen die Bosse, du fühlst dich besser, es gibt dir einen Kick, den anderen leiden zu sehen.

    Und ein Nebeneffekt, der sich automatisch mit einstellt, ist der Reichtum, nennen wir es einfach mal so. Dem Vergleich mit anderen Reichtümern hält er stand. Von 4.000 Mark an Schutzgeldern im Monat hat mir ein Gefangener berichtet, die ein neunzehnjähriger Boss monatlich auf dem Tisch ausgebreitet und gezählt hat. In aller Offenheit, denn der Verschwiegenheit der Kumpels konnte er sich sicher sein. Aber sicher sein konnte er sich auch, sich so einen Ruf geschafft zu haben, der ihn unangreifbar machte, der ihm seine Position als Herrscher über 200 Gefangene sicherte. Irgendeinen Stärkeren gibt es immer, hat mir einer gesagt, und wenn es drauf ankommt, zieh ich ihm die Rasierklinge über den Hals, und dann hat er auch nichts davon.
    Das Bild, das man sich nach diesen Schilderungen von ihnen macht, ist das von blut- und rachsüchtigen Monstern. Weit gefehlt.

    Blasse, eingeschüchterte Milchgesichter sind es oft. Kleine Jungs, nett, witzig, schlagfertig und wenn man sie läßt, durchaus unterhaltsam. Das große Ziel heißt Party machen. Unendlich feiern, Drogen, Frauen, große Autos. Ein Leben in Saus und Braus. Davon reden sie ständig, dafür sind sie in den Knast gegangen, und davon träumen sie. Wenn man sie in ihrer grauen Masse über den Hof gehen sieht zum Freigang, zum Essen oder zum Sport, dann spürt man die Energien, die sich oft in unmotiviertem und fast tierischem Schreien Luft machen. Das muß raus, das wird von allen akzeptiert, denn jeder kennt das. Das Gefängnis ist ein Ort am Rande unseres zivilisierten Lebens, mitten unter uns, getrennt durch dicke Mauern und Nato-Draht. Aber es ist auch ein Ort, der die verborgenen Potentiale zeigt, die in uns schlummern. Sie werden immer dann geweckt, wenn die Lebensumstände sich ändern und die Zivilgesellschaft Brüche bekommt. Mit Erschrecken muß man nach einiger Zeit, die man an diesem Ort verbracht hat, feststellen, daß man es akzeptiert, und daß es keine Auswege gibt. Der Schrecken ist banaler Alltag. Vielleicht ist das Gefängnis in unserer sozialversicherten Welt tatsächlich einer der wenigen Orte, an denen die dunkle Unmoral offen ausgetragen werden kann. Vielleicht ist auch das der Grund, warum in den letzten Jahren so viele Filme in Gefängnissen gedreht wurden, warum Theater oder Kunstveranstaltungen im Gefängnis gerade von großstädtischen Intellektuellen besucht und beklatscht werden. Unter dem Deckmantel des sozialen Engagements gönnen wir uns einen Blick in die dunkle menschliche Grube. Sie läßt uns schaudern angesichts der Erkenntnis, wie dünn die Wand ist, die uns von unseren triebhaften Urgründen trennt. (Rolf Teigler, in: ATALANTE Online Magazin, Juni 2001, www.ruedigersuenner.de)


    Nahaufnahmen statt Fremdbilder: Theater im Knast.

    Vom November 1996 bis Mai 1999 arbeitete die Theaterpädagogin Uta Plate mit inhaftierten Jugendlichen der Jugendstrafanstalt Ichtershausen bei Erfurt. Das Projekt entstand aufgrund einer Initiative des Theaters Nordhausen unter der Intendanz von Christoph Nix und wurde vom Justizministerium zu 75 Prozemt finanziell gefördert. Ein- bis zweimal die Woche wurde den inhaftierten Jungen und Männern im Alter
    von 14-24 Jahren die Theaterarbeit als Freizeitmaßnahme zwischen Arbeit und Einschluss
    angeboten. Es wurden jeweils mit einer Gruppe von ca. 15 Jugendlichen mehrere Stücke aus ihren Lebensgeschichten entwickelt und in der JSA vor externem Publikum und den Inhaftierten aufgeführt.

    Situation
    Mit der Aufnahme in einer Vollzugs- oder Strafanstalt sind die Gefangenen zur Anpassung gezwungen und durchleben einen Prozess der Entpersönlichung.
    Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie der sozialen Kontakte reduzieren die Autonomie der Inhaftierten fast bis zur Entmündigung. Alltägliches wird bis ins kleinste Detail fremdbestimmt. Ein Abbild des fehlenden Freiraumes findet sich in der “Wohnsituation" der Zelle, in der 1, 2 oder 4 Betten auf engstem Raum stehen und pro Person eine 30 bis 40 cm große Pinwand zur Verfügung steht, die offiziell gewährte Privatzone, sonst haben die Wände leer zu bleiben. Die Anzahl der Musik-Kassetten ist auf zehn beschränkt, die der aufbewahrten Briefe auf 20, Bücher durften es ebenfalls nur fünf sein. Das sind Bestimmungen zugunsten der Sicherheit, da sonst schnelle Haftraumkontrollen unmöglich sind, jedoch bleiben sie nicht ohne Auswirkungen auf die Persönlichkeit. Der Justizvollzug ist durch Hierarchien gekennzeichnet: zum einen das Verhältnis zwischen Beamten und Gefangenen, zum anderen das der Inhaftierten untereinander. In einem Alter, in dem Ausprobieren und Lernen wichtig für die weitere Entwicklung sind, befinden sich jugendliche Gefangene in einer Umgebung, die von Macht und Autorität bestimmt ist. Hinter den Mauern vollzieht sich nicht nur die Justiz, sondern ein gnadenloses System der Unterdrückung, in dem das Faustrecht des Stärkeren gilt.
    Knast ist ein System, in dem man ist, was man darstellt bzw. darstellen kann, sortiert nach Muskelkraft und Verbrechen. Es gibt die “Kings", die Freunde der “Kings", Geduldete und die “Ritzen". Die “Ritzen" werden wie das Letzte behandelt und für Dienste in jeglicher Hinsicht missbraucht. Und falls sie sich doch mal wehren, gibt es blaue Flecke oder Kieferbrüche. Die “Kings" dürfen ihr Gesicht nicht verlieren und müssen ihre Macht ständig unter Beweis stellen, die “Ritze" kriegt Einläufe mit der Dusche. Es herrscht ein ständiger Kleinkrieg um Einfluss und Positionen, ein Kampf auf engsten Raum rund um die Uhr. Vergewaltigungen und Selbstmordversuche sind keine Seltenheit.
    Diese extreme Lebenssituation der Inhaftierten beeinflußt unablässig den künstlerischen Entstehungsprozess, Thema und Endergebnis eines Theaterprojekts im Knast. Für die Entwicklung des Stücks gab es nur einen groben Rahmen für verschiedene Phasen: Improvisation, Materialsuche (ihre biografischen Geschichten, Film- und Literaturzitate), Strukturierung des Materials und Endproben des im Verlauf der Arbeit entstandenen Theaterstücks. Jedoch von Probe zu Probe änderten sich Zusammensetzung der Gruppe, Motivationen, Stimmungen, Machtverhältnisse. Sicher war, daß es keine Sicherheit dafür gab.

    Anlaufschwierigkeiten
    Dem einen wird ein Auge blau geschlagen, der andere hat mal wieder keine Post von der Freundin bekommen, der dritte kann seine Schulden nicht bezahlen, und schon entsteht eine Mischung von Aggression und Apathie, die ein kreatives Spiel erschweren. Pufferzonen und Freiräume, über die Menschen in Freiheit verfügen, fehlen den Jugendlichen. Das heißt, immer wieder neue Spielimpulse geben, immer wieder die Anstrengung, die Situation in einen andere zu transformieren.
    Die Aufgabe ist, eine Geschichte in 5 szenischen Bildern darzustellen, in denen die Spieler eingefroren eine Situation darstellen. Björn sitzt da und weiß nicht, was er machen soll. Also, wir machen das so, einer hat Schulden und wird zusammengeschlagen. Ach, nee, das ist öde. Nee, jemand hat Wochenendurlaub, kommt aus dem Knast und trifft jemanden, der ihn verpfiffen hat und schlägt ihn zusammen. Ach Scheiße..." Ich fragte nach seinem Lieblingsfilm. “Dirty dancing." “Und welche Szene hat dir am besten gefallen?" “Dort, wo er ihr das Tanzen beibringt und sie ihm immer auf die Füße tritt." Das nächste Mal bringe ich zur Probe ein rotes Kleid und eine Tänzerin vom Theater mit.
    Eine weitere Folge der Situation hinter Gittern ist die sogenannte Haftmacke. Wer auf den Status des Gefangenen reduziert ist und sich nur noch als Verbrecher definiert, nimmt sich nur noch eindimensional wahr. Nachdem Björn ein paar Mal zur Probe kam, blieb er weg. Ich ließ mich von einem Beamten auf seinen Wohnflur schließen und fragte ihn, warum er nicht mehr käme. “Ich bin zu doof für so was. Ich kann nicht spielen. Ich kann mir keinen Text merken. Das einzige, was ich noch kann, ist im Knast sitzen."

    Rollenpanzer
    Die Jugendlichen hatten große Schwierigkeiten zu spielen, was nicht der eigenen festgelegten Rolle entsprach, kein “King" erlaubte einer “Ritze", in einer Szene überlegen zu sein. Gewiss ist ein normaler Lernschritt beim Schauspielen zu erfahren, dass man auf der Bühne jemand ganz anderes sein kann. Doch der Rollenpanzer der inhaftierten Jugendlichen ist fester als irgendwo sonst. Denn die Position, die man in der Knasthierarchie einnimmt, ist entscheidend für das Schicksal hinter Gittern.
    Dem festgeschriebenen Rollengefüge mit der Einweglösung “Der Stärkere gewinnt" andere Wege entgegenzusetzen war die Hauptarbeit vieler Wochen.
    Wenn Improvisationen wieder mal auf einen gewaltvollen Machtkampf hinausliefen, wurde darauf hingewiesen, dass die Szenen einfach langweilig werden, wenn die Konflikte nur ein “auf die Fresse" zur Antwort haben. Ein Freischwimmen gelang über die Wochen immer häufiger, Figuren wurden entwickelt, angefüllt mit Eigenem und Neuem. Mittlerweile war es für einige sogar ein besonderes Vergnügen, aus sich heraus zu können und zeigen zu können, was man spielen und darstellen kann. Mit den verschiedenen Theaterübungen eröffnete sich ein Freiraum, ein Spiel mit ungewissem Ausgang. Die Arbeit auf der ästhetischen Ebene stand im engen Wechselspiel mit der sozialen Ebene. Indem auf der Bühne eine andere Begegnung möglich wurde, veränderte sich auch das Miteinander.

    Materialsuche
    Ich hatte das Verfahren des story-telling zu einem festen Bestandteil der Proben gemacht. Jemand erzählte eine Geschichte aus seinem Leben. Bei der Erarbeitung des Stücks ging es um die Suche nach dem Kick und die Suche nach dem Glück. Ihre Geschichten offenbarten als Momentaufnahmen kurze Einblicke in ihre Biografien. Sie wurden zum Material, an dem weitergearbeitet wurde, um es in eine theatrale Form zu bringen.
    Durch das Sammeln und Ordnen von biografischem Material und die anschließende bewusste Veränderung durch Theatertechniken leben die Szenen gleichzeitig von der Identifikation und der Distanz der Spieler.

    Aufführung
    Das Theaterstück “Abfahrt Alter" erzählt auf vier Podien von Abenteuern und Depressionen aus der ostdeutschen Provinz. Es werden Autos geknackt, der eine überredet den anderen zum Banküberfall, und überall die Langeweile. Zwischendrin tanzt eine Art Glücksfee, die Geld und die Verheißung nach dem Glück symbolisiert. Nach und nach landen alle im Knast. Zum Abschluss verwandeln sich alle 4 Podien zu Flößen im reißenden Wasser, der Polizist und die Fee werden zu Gallionsfiguren auf der Fahrt ins Ungewisse.
    Am Nachmittag vor der Premiere weigerte sich Björn: Ich werde diese Szene nicht spielen. Ich kann mich danach auf der Piste nicht mehr sehen lassen. Ich mach mich doch nicht zum Obst!" Ich wußte sofort, welche Szene er meinte: in seiner Schlangenlederjacke singt Björn seiner Glücksfee ein Liebeslied: Love me tender". Ich erklärte, dass es wunderbar wäre, wenn er diese Szene spielt. Die Weigerung blieb, der Zeitpunkt rückte näher. Erst als alle, einer nach dem anderen, kommen und ihm versprechen, ihn während der Szene zu unterstützen, bricht das Eis.
    Schließlich ergreift er das Mikro und haucht die ersten Worte ins Mikrofon. (...) Als das Lied zu Ende ist, tobt der Saal. (...) Die Theaterarbeit hat mir gezeigt, dass ich noch etwas anderes kann, als nur im Knast zu sitzen." Durch Lust an der Macht auf der Bühne, am Zusammenhalt der Gruppe, am Applaus, am Kontakt zum externen Publikum und auch an den Gesprächen danach.
    Die Gefangenen wurden mit ungewöhnlichen Spielweisen, surrealen Momenten, die ihren bisherigen Sehgewohnheiten fremd waren, und einer Spiegelung der eigenen Geschichte sowie anderer Rollenmodelle konfrontiert. (...) Ein Element der Aufführung waren auch immer Szenen aus dem Knast, in denen die erbarmungslose Brutalität ausgedrückt wurde. Dies der Öffentlichkeit zu zeigen, war ein Anliegen.
    Das Publikum hat durch diese Geschichten statt Fremdbilder Nahaufnahmen erleben können. Die brutale Knastrealität sowie die von den Jugendlichen oft ausgedrückte Perspektiv-losigkeit waren die Grundlage für die anschließende Podiumsdiskussion zwischen den Jugendlichen, Justizminister Kretschmer und dem Publikum. Björn zu einem Neuen: “Paß auf, wenn du auf der Bühne stehst, mußt du immer Richtung Publikum gucken. Du darfst nicht denken, daß du dich zum Obst machst. Wenn du es trotzdem denkst, dann muß es dir egal sein."
    {von Uta Plate , in: Theater der Zeit, Mai 2000)


    Kain im Lichte der Schicksalspsychologie

    Die Ethik der Religion verlangt vom armen Kain, er solle den Nächsten so lieben wie sich selbst. Er aber haßt den Nächsten von ganzem Herzen. Er beneidet den Nächsten um all sein Besitztum, er ist eifersüchtig auf den Nächsten und wünscht ihm den Tod. Was kann er tun, wenn er trotz seiner kainitischen Natur mit diesem Nächsten in einer Gemeinschaft leben muß? Er wird ja quasi gezwungen, ein Tarnkleid, ein “camouflage-suit" als “Overall" über seine Kainschaft zu ziehen, um nicht ein ausgestoßenes Schicksal, das heißt ein einsames Leben führen zu müssen. Kann einer mit gutem Gewissen behaupten, daß die tötende Gesinnung und die Sucht nach Allmacht, die Räuberei und Gewalttätigkeit unter den Völkern, der Drang nach Alles-Haben und Alles-Besitzen, Verschlagenheit und Pfiffigkeit, Neid und Eifersucht, Schwelgerei und Lüsternheit, Übermut und Ungerechtigkeit unter den Menschen nach tausend und abertausend Jahren verschwunden sind? Frönt nicht die Menschheit heute noch demselben “bösen Trieb" wie zu biblischen Zeiten Kains? Nur die Tarnkünste dieser bösen Gesinnung haben sich gewandelt. Aber die Kain-Natur des Menschen bleibt unsterblich. Sie läßt sich nicht ausrotten. (von L. Szondi aus dem Band: Kain, Gestalten des Bösen)
    Die Halbwüchsigen sind doppelt konformistisch

    ... kommen wir zur pädagogischen Sprache deiner Altersgenossen. Sie sind zum jetzigen Zeitpunkt deines Lebens (15 Jahre) deine wichtigsten Erzieher.
    In deinen Augen sind sie eine weit wichtigere Autorität als Familie und Schule. Sie reduzieren die Väter und Lehrer zu Schattenwesen, die wie stumme Fische nur noch die Lippen bewegen. Was ihnen mühelos gelingt und was sie ganz unbewusst machen. Sie brauchen nur eins, um jede andere Erziehungsinstanz bedeutungslos zu machen: Sie müssen existieren, da sein, so wie sie sind.
    Sie verfügen über eine der stärksten Waffen: Einschüchterung und Erpressung. Eine Waffe, so alt wie die Welt. Der ganze Konformismus der Erwachsenen ist bei ihnen schon voll ausgereift, brutal, komplett. Sie wissen aufs raffinierteste, wie man Gleichaltrige quälen kann. Und sie tun es besser als die Erwachsenen, weil ihr Sadismus grundlos, weil er Gewalttätigkeit in reinster Form ist. Sie empfinden diesen Sadismus als gutes Recht und laden ihn mit ihrer ganzen ungebrochenen Vitalität auf, natürlich auch mit ihrer Unschuld.
    Der pädagogische Druck, den sie auf dich ausüben, kennt weder Überredungskunst noch Verständnis, noch irgendeine Form von Mitleid oder Menschlichkeit. Nur in den Momenten, in denen deine Altersgenossen zu Freunden werden, entdecken sie vielleicht Überredungskunst, Mitleid, Menschlichkeit. Aber mehr als vier, fünf Freunde werden es nie sein. Die anderen sind Wölfe: Sie benutzen dich als Versuchstier, um an dir ihre Gewalttätigkeit und die Qualität des Konformismus auszuprobieren. Ihr Konformismus entspricht haargenau dem der Erwachsenenwelt. Das Schema ist identisch. Dennoch besitzen die Halbwüchsigen, verglichen mit den Erwachsenen, etwas Neues, d.h. sie erleben auf existenzelle Weise Werte, die gegenüber den von Erwachsenen gelebten und kodifizierten Werten etwas Neues sind.
    Und gerade darin besteht ihre Stärke. Durch dieses Neue entwerten sie - in ihrer durch und durch “gelebten" Daseins- und Verhaltensweise - den pädagogischen Konformismus der Erwachsenen und machen sich gegenseitig zu Lehrmeistern.
    Das Neue an ihnen - es ist weder ausgesprochen noch gedacht, sondern nur gelebt, überschreitet die Welt der Erwachsenen; und dieses Verhalten ist zugleich Protest und totale Anpassung an diese Welt (wie es in repressiven oder offen faschistischen Gesellschaften der Fall ist). Du wirst erdrückt von diesem Neuen, lebst in der ständigen Angst, es nicht voll ausleben zu können, im Gegensatz zu deinen Kameraden, die es perfekt beherrschen - dieses Neue, das die stärkste Triebfeder deiner Lerngier ist.
    Die Erwachsenen können es dir nicht beibringen, und daher hast du tief im Herzen nur einen einzigen brennenden Wunsch: dieses Neue mit deinen Altersgenossen zu teilen, indem du es wie besessen täglich von ihnen lernst. Deine Kameraden sind also, anders gesagt, die Bewahrer und Träger jener Werte, die dich einzig und allein interessieren. Auch wenn sie nur feinste, kaum wahrnehmbare Varianten der väterlichen Werte sind. ... Gleichzeitig geben sie dir aber tagtäglich eine handfeste Lektion, wie man in einer konsumistischen Gesellschaft zu leben und zu denken hat. Wir sind mitten in einer Schlangengrube, wie du siehst. (Pier Paolo Pasolini, aus “Das Herz der Vernunft" , Klaus Wagenbach Berlin, 1986,)


    Langeweile

    “Das ist einfach nur die Langeweile, die hier einen umbringt."
    Das Zitat stammt von einem von 44 jungen Männern in Haft, die im Rahmen des Forschungsprojekts “Gefängnis und die Folgen" interviewt worden sind. (...) Was meint er, wenn er davon spricht, dass ihn die Langeweile umbringt? Welche Bedeutung hat Langeweile für ihn? (...) “Das Einzigste, was hier die Bestrafung is, is nich das Eingesperrt sein, is eigentlich nur die Langeweile." In beiden Zitaten wird deutlich, dass Langeweile für diese Inhaftierten in Beziehung zum Eingesperrtsein steht - dem Hauptmerkmal des Gefängnisses als geschlossener Institution. (...) Wovon sprechen die jungen Männer, wenn sie erzählen, dass sie sich langweilen? Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass Langeweile häufig von den Jugendlichen thematisiert wird, obwohl die Organisation des Gefängnisses eine sehr klare und verregelte Struktur mit einem planvollen Tagesablauf vorschreibt. Viele Gefangene nehmen hier zum ersten Mal täglich an schulischen Maßnahmen teil oder gehen zur Arbeit. Das Gefängnis stellt damit einen Rahmen bereit, der draußen so vorher nicht vorhanden gewesen ist und der die Freizeit ebenfalls klar vorgibt. Das bedeutet aber auch, dass sich dieser Ablauf immer wiederholt und zu einer gleich bleibenden Routine erstarrt. (...) Neben der alltäglichen Routine gibt es - vor allem abends und am Wochenende - viel Zeit, in der nichts passiert, und in der die Gefangenen sich selbst beschäftigen müssen. Ein Inhaftierter schildert dies folgendermaßen: “so am Tage kann man eigentlich ziemlich abschalten, bloß abends dann, wenn dann wieder Einschluss is, dann sitzt man schon da, wenn en bisschen Langeweile is, wat nu, wie soll's anders lofen, das eigentlich, die Zeit am schlimmsten, die en so deprimiert hier drinne, die langweilige Zeit, wo dann nüscht, absolut nüscht los is, haste ken Bock auf Schreiben, ken Bock auf Karten spielen, nüscht." (...) Ein anderer Inhaftierter, der eine ähnliche Situation beschreibt, wird konkreter: “obwohl die Langeweile abends och immer wieder zurückkam, wenn´s dunkel wurde und man hat dann abends im Bett gelegen, hat man schon drüber nachgedacht, was jetzt wohl die ganzen Leute draußen machen, meine Eltern, meine Freundin und alle, ob die jetzt an mich denken (I: Hmm. Immer abends?) Ja abends is es besonders schlimm (leiser)."Für ihn besteht die schwierige Seite des Einschlusses im Nachdenken. (...) Langeweile steht hier für die Sehnsucht und Traurigkeit, die ihn bewegen, wenn er an Familie und Freunde draußen denkt. (...) Im Gefängnis haben die Inhaftierten sehr viel Zeit, über sich selbst nachzudenken - dies ist für die meisten Jugendlichen eine ungewohnte Situation. Sie sind auf sich selbst zurückgeworfen und mit den eigenen Problemen und inneren Konflikten allein. Eine Möglichkeit, der Langeweile und der Konfrontation mit sich selbst zu entfliehen, sehen einige der Gefangenen im Drogenkonsum. (...) Drogenkonsum wird in den Erzählungen der Inhaftierten als Zeitvertreib und Ablenkung vom Gefängnisalltag dargestellt. Er soll vergessen helfen. (...) “Ich denke, dass jeder, der hier drinne ist, auch mal vergessen will, dass er hier drinne is, mal ein bisschen abschalten einfach und sich das das Öde, das ist so alles so kalt so, es hat alles keine Farbe hier es kein bisschen Fröhlichkeit hier drinne in dem Knast, der is richtig kalt und ich denke, dass man sich, wenn man sich Alkohol trinkt, wo ich eigentlich nich da so dafür bin, aber ich denke, wenn man ein bisschen kifft, dass man dann halt och mal ein bisschen vergessen kann." Den Gefängnisalltag zu vergessen, ist auch mit Drogen nur vorübergehend möglich. Eine Inhaftierung bedeutet die dauerhafte Auseinandersetzung mit Begrenzungen der eigenen Handlungsmöglichkeiten, Fremdbestimmung und Eingesperrtsein. Diese Einschränkungen stehen im Widerspruch zu dem Bedürfnis nach Autonomie, Freiheit und Bewegung, das besonders Jugendliche empfinden. Heranwachsende haben eine Unmenge an Energie und Tatendrang, verbunden mit der permanenten Sorge, etwas Wichtiges oder Spannendes zu verpassen. Aber das Sprechen über Langeweile umfasst mehr als den Mangel an Abwechslung in der Geschlossenheit des Gefängnisses: In der Situation der jugendlichen Inhaftierten bedeutet das Sprechen über Langeweile den Versuch, etwas schwer Greifbares - innere Zuständen und Gefühle - in Worte zu fassen. Vielleicht ist es dies, was uns zu Beginn an dem Zitat aus der Überschrift so irritiert hat. Langeweile bedeutet für die Inhaftierten nicht nur freie Zeit, mit der sie nichts anzufangen wissen, sondern Langeweile steht auch für Einsamkeit, Sehnsucht und Traurigkeit im Gefängnis. Eine ausführliche Darstellung des qualitativen Projektteils von “Gefängnis und die Folgen" findet sich im Internet unter:
    www.ksn.de/identqual.html
    (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, ein Text von Almut Koesling und Anke Neuber)


    „Abfahrt“, die Zeitschrift der Jugendstrafanstalt Ichtershausen, erscheint zweimal im Jahr, hier Auszüge aus der Ausgabe 1/2004

    Viele von euch kennen das vielleicht: Beziehung, heile Welt und alles ist gut! Aber was ist, wenn der Traum vorbei ist? Hier ein paar Ratschläge, wie man darüber hinweg kommen könnte.

    • Kontakt erstmal ganz abbrechen, denn Zeit heilt alle Wunden
    • versucht die Gedanken an die vergangene „schöne“ Zeit zu verdrängen, ansonsten zieht es euch zu sehr runter und das sorgt für schlechte Stimmung
    • nicht um eine 2. Chance betteln, was beim 1. mal nicht funktioniert, klappt beim 2. mal erst recht nicht
    • aktiv werden, d.h. sich nicht in der Bude verkriechen und dort verenden
    • lenkt euch z.B. mit malen, schreiben, lesen ab, Sport ist gut um gestauten Frust und Aggressionen abzubauen
    • auch wenn es euch schwer fällt! Sucht euch eine Person eures Vertrauens und redet mit ihr über das was euch beschäftigt
    • später eine Aussprache anstreben, das hilft vielleicht es besser zu verstehen
    • den weiblichen Freundeskreis der Ex scannen und dort Kontakte knüpfen (das sorgt für Verwirrung und Eifersucht bei ihr und befriedigt deine eventuellen Rachegelüste)
    • der absolute Schocker für deine Ex ist, wenn du mit ihrer Mutter (sofern sie solo und anbietbar ist) etwas anfangen tust
    • für den unwahrscheinlichen Fall, dass dich deine Ex nach Ausführung der letzten beiden Ratschläge wiederhaben will: sag nein, denn vermutlich macht sie das nur aus verletzter Eitelkeit

    Wie gesagt, dies sind nur ein paar Ratschläge, eine Garantie dass es klappt, können wir euch nicht geben, also lasst den Kopf nicht hängen, wenn es nicht funktioniert!
    P.S. Viel Glück in eurer nächsten Beziehung!!!

    Denni


    Einer, der mir zuhört,
    ohne Vorurteile.
    Einer, der mit mir redet,
    worüber auch immer.
    Einer, der mir hilft,
    ohne zu fragen.
    Einer, der mich akzeptiert,
    so wie ich bin.
    Einer, der für mich da ist,
    auch wenn uns Mauern trennen.