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  • Baby

    Berlin (West) 1984, 35 mm+16 mm, digital, Farbe, Lichtton, 114 Min.

    BESETZUNG

    Baby
    Pjotr
    René
    1. Beamter
    Der Ängstliche
    Der Dicke
    2. Beamter
    Prokurist
    Chef
    Junge
    Betrunkener Kalle
    Leibwächter
    Sekretärin
    Alfons
    Mark
    Abteilungsleiter
    Der Sportliche
    Tilo
    Wolfgang
    Herr Schnelle
    Marina
    Der 1. Unentschlossene
    Der Ullige
    Der 1. Bruder
    Geschäftsführer Disco II
    Der 2. Unentschlossene
    Bärbels Kind
    Der 2. Bruder
    Schließer
    Wolfgangs Freundin
    Barkeeper
    Bärbel
    Taxifahrer
    Udo Seidler
    Reinhard Seeger
    Volkmar Richter
    Andreas Adam
    Steven Cotton
    Markus Dreier
    Klaus Emkow
    Andreas Hanft
    Albert Hennig
    Mike Hennig
    Harry Henschel-Franzmann
    Jürgen Hügli
    Ingrid Jehne
    Bernhard Kässner
    Harald Kempe
    Siegfried Kiehnapfel
    Jack Lange
    Frank Marwitz
    Wolfgang Marczynski
    Christian Prahl
    Jeanette Radlinski
    Thomas Runge
    Horst Santo
    Detlef Sobottka
    Wolfgang Splinter
    Markus Stach
    Maurice Steinbeck
    Michael Stohf
    Manfred Schenk
    Christine Wagner
    Frank Willgalis
    Sylvia Woiczechowski
    Klaus Zoberbier

    STAB

    Regie und Buch
    Kamera
    Kameraassistenz
    Regieassistenz
    Schnitt
    Schnittassistenz
    Musik

    Ton
    Tonassistenz
    Ausstattung
    Kostüm
    Skript
    Aufnahmeleitung
    Geschäftsführung
    Produktionssekretärin
    Produktionsleitung
    Redaktion
    Produktion
    Gesamtleitung
    Uwe Frießner
    Wolfgang Dickmann
    Simon Kleebauer, Daniel Koppelkamm
    René Hennig
    Tanja Schmidbauer
    Eva Schellemann
    SPLIFF (Reinhold Heil, Herwig Mittergger,Potsch Potschka,
    Manne Praeker)‚ Try me’ gesungen von Franz Böntgen
    Michael Eiler
    Jochen Isfort
    Christoph Kettenring
    Antje Krüger
    Susanne Nischwitz
    Edgar Hinz, Klaus Emkow, Christian Weber
    Beate Büker
    Eva Espinoza
    Ulrich Ströhle, Elke Peters
    Wolf-Dietrich Brücker
    Basis-Film Verleih / WDR
    Clara Burckner

    BIOGRAFIE

    Biographie Uwe Frießner

    1942 geboren in Berlin
    1961 Abitur in Berlin
    1961-66 Studium Geologie, Philosophie, Germanistik in Berlin und Hamburg.
    Nebenbei Schauspiel und Regie an Studentenbühnen in Berlin und Hamburg.
    1966-72 Arbeit als Hochseefischer und Dachdecker. Nebenbei Tätigkeit als Medienpädagoge im
    Jugendfilmstudio in Berlin-Kreuzberg.
    1972-75 Studium an der Deutschen Film - und Fernsehakademie Berlin.
    Seit 1975 Drehbuchautor und Regisseur. Lebt in Berlin.


    FILME

    1979
    1983
    1985
    1987
    1992
    1993
    1994
    1995/96
    1997
    1999
    2000
    2001
    2003/4
    DAS ENDE DES REGENBOGENS (Kino)
    BABY (Kino)
    DER DRÜCKER (Adolf-Grimme-Preis, TV-ZDF)
    MOLLE MIT KORN (TV-Serie, 10 Folgen)
    WENN ENGEL REISEN (TV-Serie, 13 Folgen, ZDF)
    HASS IM KOPF (TV-ZDF)
    ABGEFAHREN (Adolf-Grimme-Preis, TV-ZDF)
    MAX WOLKENSTEIN (TV-Serie, 9 Folgen)
    DIE FEUERENGEL (TV)
    DOPPELTER EINSATZ (TV)
    DOPPELTER EINSATZ (TV)
    CHECK IN TO DISASTER (TV)
    UNTER VERDACHT III (TV)

    FESTIVALS / AUSZEICHNUNGEN

    23. Februar 1984

    Prädikat besonders wertvoll
    Uraufführung, Internationales Forum des Jungen Films, Berlin


    INTERVIEW

    Deine Helden werden älter. 4 Jahre nach DAS ENDE DES REGENBOGENS präsentierst du nun BABY, um etwa die gleiche Zahl an Jahren älter als dein erster Held. Kommt er wieder aus deiner persönlichen Erlebniswelt oder ist er eine Kunstfigur?

    Beides: Er ist eine Kunstfigur, aber auf der Grundlage von Beobachtetem, eine Mischung verschiedener Leute, die ich gekannt habe.
    Wenn ich den Film noch mal vorüber ziehen lasse, finde ich mehr das Dreiergespann im Vordergrund als den Einzelhelden Baby.
    Es ist aber in erster Linie die Geschichte Babys, der eine bestimmte Lebensperspektive hat, wobei er sich von zwei Freunden auf Wege mitziehen lässt, die er allein vorher nicht betreten hätte. Das Positive dabei ist die Freundschaft der Drei, die sich im Laufe der Geschichte entwickelt, und damit wird aus der Geschichte des Einen die Geschichte der Drei.
    Die drei verbindet eine erotische Faszination, die mir beinahe etwas unwahrscheinlich erschien.
    Normal ist das sicher nicht, aber es ist eine bekannte Tatsache, dass mehr Menschen gleichgeschlechtliche Neigungen haben, als sie zugeben. Und ich finde es eine ganz starke und wichtige Sache, dass diese Ebene, Zärtlichkeit unter Männern, in einer so aggressiven Welt herausgehoben wird. Alle haben Angst davor, denn Zärtlichkeit gilt ja auch als Schwäche. Die darf man bestenfalls Frauen gegenüber zeigen, weil die angeblich auch schwach sind. Aber im Konkurrenzkampf unter Männern ist das total tabu, da muss man hart sein. Aber gerade so harte Jungens sollen zeigen, dass sie zu Zärtlichkeit untereinander fähig sind.

    Bei diesen Szenen habe ich mich gefragt, wie weit ist das dein Wunschdenken oder gar ein pädagogischer Aspekt? Ist das die Frage nach deiner Art von Realismus?

    Realismus ist nicht nur ein Abklatsch von irgendetwas, das irgendwo zu sehen ist. Sondern Realismus heißt für mich: Standpunkt beziehen. Wenn 50 Prozent aller Männer ihr Zärtlichkeitsbedürfnis füreinander verbergen, muss ich einen Weg finden, um das im Film sichtbar werden zu lassen. Wenn René Baby einen Kuss gibt, dann entspricht das zwar nicht der Statistik, aber es beschreibt ein allgemeines Bedürfnis. Und so muss Realismus immer über den gewöhnlich sichtbaren Aspekt hinausgehen, muss Interessen und Beziehungen aufdecken, die sonst verborgen bleiben. Das ist der mindeste Anspruch an meine Arbeit.
    In Anbetracht meines gestörten Verhältnisses zu Krimis nach der Realismuskonzeption, das die schlechten TV-Serien auf dem Gewissen haben, hat mich dein stimmiges In-Szene-Setzen des Gangstertrios etwas überrascht.
    Das ist der zentrale Ansatz des Films, dass ich versuche, in dem Verbrecher, von dem jeder sein landläufiges Bild hat, den Menschen sichtbar zu machen, wovon die meisten keine genaue Vorstellung haben. Zunächst einmal werden dem Zuschauer einige seiner üblichen Kenntnisse bestätigt: Da wird geprügelt, da wird Geld geklaut, da wird jemand erschossen. Meine Helden erfüllen zunächst – wie alle Kinohelden – Träume des Zuschauers, mal stärker zu sein als die anderen, mal viel Geld zu haben, mal Sieger zu sein, mal unmoralisch zu sein. Insofern sind sie Identifikationsobjekte. Aber das Traumbild wird im Verlauf der Geschichte gebrochen. Die Helden erweisen sich als zunehmend schwächer, dümmer und unselbstständiger, im Grunde so, wie wir alle sind. Der Zuschauer begegnet damit letzten Endes sich selbst. Und das, meine ich, ist Realismus: der Weg von den Träumen und Illusionen hin zur Wirklichkeit, weg von dem, was man gewöhnlich sieht und glaubt, hin zu dem, was einem nicht bekannt ist oder wozu man sich nicht zu bekennen wagt.

    Wie hast du die Darsteller so wirklichkeitsnah zum Spielen gebracht, dass es bis ins kleinste Detail hinein stimmig wird? Es sind doch alles Laien.

    Ja, bis auf den Prokuristen im Supermarkt sind alles Laien. Auf der einen Seite setzt das voraus, dass die Figuren im Leben genau beobachtet und schon vom Drehbuch her sehr genau durchkonstruiert sind. Auf der anderen Seite braucht es eine lange Zeit der Darstellersuche. D.h., dass ich Leute suche, die diesen Figuren von ihrer Ausstrahlung her entsprechen, möglichst viele Ähnlichkeiten aufweisen. Das dritte ist dann, dass sie spielen können, also eine gewisse Selbstverständlichkeit haben, einmal sich selbst darzustellen, aber auch im Rahmen der Figur zu bleiben, um die es geht.

    ... und noch ein paar fremde Charakterelemente aufnehmen können.
    Genau. Viele denken ja, so ein Laiendarsteller kommt bloß und spielt sich selbst. So einfach ist das auch nicht. So eine Figur ist schon eingeengt. Das ist wie eine Schlittenfahrt auf einer Rennrodelbahn im Gegensatz zu einer Schlittenfahrt von einem Hügel im Park. Die Darsteller vollbringen eine ganz große Leistung damit, dass sie den Windungen der Figuren folgen müssen. Dann ist so ein Film natürlich auch eine ganz technische Angelegenheit, wo man manchmal ganz unnatürliche Bewegungen machen muss, bloß weil die Kamera so steht und man sich dem anpassen muss. Trotzdem muss der Darsteller so tun, als ob das alles ganz selbstverständlich von ihm käme. Wir haben ein halbes Jahr lang gesucht, bis wir die Leute gefunden haben, haben lange Probeaufnahmen gemacht, bis wir uns für die endgültigen Darsteller entschieden haben. Dann haben wir mehrere Wochen vor Drehbeginn geprobt, alle Hauptszenen, damit sie dialogmäßig und ausdrucksmäßig sitzen. Während des Drehs haben wir dann natürlich noch mal probiert.

    Waren die Dialoge festgelegt oder hatten die Darsteller nur Anhaltspunkte?

    Feste Dialoge.

    Das Ergebnis wirkt sehr profihaft. Warum hast du auch in deinem zweiten Film wieder auf Laiendarsteller zurückgegriffen?

    Was einen zunächst einmal fasziniert an Laienschauspielern ist die Authentizität. Und die hängt zusammen mit Lebenserfahrungen, die dahinter stehen. D.h., dass der Darsteller die Handlungen, die im Film vorkommen, nachvollziehen kann, weil sie seinen eigenen Erfahrungen entsprechen oder zumindest nahe kommen. Ich könnte mir natürlich vorstellen, dass ein Berufsschauspieler so etwas auch zustande kriegt, aber ich glaube, dass er sehr viel investieren muss an Zeit und Arbeit, um sich mit dem Milieu und mit den Lebensumständen in dieser Banditenwelt vertraut zu machen. Es hängt also mit dem Inhalt einer Geschichte zusammen, ob ich mit Laiendarstellern oder mit Berufsschauspielern arbeiten möchte.

    Wie kommen die denn damit klar, nach so einem einschneidenden Erlebnis plötzlich nicht mehr im Scheinwerferlicht zu stehen?

    Das ist noch gar nicht so voll abzuschätzen. In einer Beziehung glaube ich, dass es schwieriger wird als beim Hauptdarsteller des Regenbogens, bei dem wir – wenn man jetzt mal von dieser furchtbaren Drogensituation absieht – von Anfang an versucht haben, ihm jede Hoffnung auf eine Filmkarriere auszureden. Ein Mensch, der 16, 17 ist, lässt sich natürlich viel eher darauf ein, wenn ihm der Filmemacher sagt: „Mach dir keine Hoffnung, versuche lieber, in einer anderen Richtung eine Perspektive zu entwickeln.“ Thomas aus dem REGENBOGEN wollte damals eine Tischlerlehre machen und will das eigentlich auch heute noch. Von den Darstellern dieses Films sind zwei 27 und einer 40 Jahre alt. Dass der Ältere mit dieser Filmerfahrung klar kommen wird, glaube ich sicher. Bei den Jüngeren wird die Illusion wahrscheinlich stärker greifen. Das wird erst losgehen, wenn der Film rausgekommen ist, wobei ich natürlich auch ihnen gesagt habe, die Chancen sind gering, beim Film weiterzuarbeiten. Aber die haben natürlich ihre eigenen Vorstellungen und wollen das erst mal auf sich zukommen lassen.

    Kann man sagen, dass du einen aussagekräftigen Thriller drehen wolltest?

    Nein, auch wenn die Raubüberfälle actionmäßig inszeniert sind. In erster Linie geht es darum, die Haltung der drei Figuren zueinander und zu den Ereignissen zu beschreiben. In einem Thriller wäre es notwendig gewesen, die Kontrahenten unserer Helden, also die Polizei, viel stärker ins Geschehen mit einzubeziehen. Aber die habe ich ganz bewusst rausgelassen. Wesentlich ist ja für mich, dass, wenn etwas schief geht, das nicht geschieht, weil die Polizei oder irgendjemand hinter den Dreien her ist, sondern weil es zwischen ihnen Probleme gibt, Widersprüche in ihren Interessen und zum anderen starke Mängel in ihrer Professionalität als Räuber.
    (Das Interview mit Uwe Frießner führte Olaf Stüben)

    TEXTE ZUM FILM

    BABY, ein Thriller aus dem Alltag oder: Es gibt nichts Spannenderes als die Wirklichkeit.

    Nach DAS ENDE DES REGENBOGENS erzählt Uwe Frießner in BABY die Geschichte der Verführung eines Menschen zum Verbrechen. Die kriminelle Karriere von drei jungen Männern aus Berlin, die einen großen Coup planen und schließlich einen Raubmord begehen, und deren Freundschaft zueinander stehen im Mittelpunkt der Handlung.
    Es geht um Strategien, mit denen Verlierer glauben, sich und ihre Vorstellungen von einem adäquaten Leben behaupten zu können. Ohne starres Freund-Feind-Schema, ohne Sozialarbeiterromantik, ohne schicksalhaften Determinismus und ohne pädagogischen Zeigefinger wirft der Film die Frage auf, an welchem Punkt die Einflüsse der Umwelt in den Hintergrund treten und die eigene Verantwortung für das, was man tut, beginnt.
    Zugleich ist der Film Momentaufnahme einer gesellschaftlichen Situation ,in der Kritik ,Protest und Verweigerung in eine aggressive Selbstbedienungs-Mentalität übergehen.


    Authentische Kinohelden

    Gewöhnlich werden Filme von Personen gemacht, die einem bestimmten sozialen Bereich angehören. Daher sind bestimmte soziale Gruppen im Film überrepräsentiert und daher zeigt das Kino Unterprivilegierte, Kinder, ältere Frauen und Randgruppen selten authentisch.
    Wenn Filme diese Gruppen dennoch in den Mittelpunkt rücken, kommen sie häufig mit voyeuristischer Exotik oder zwanghafter Hauruck-Parteinahme daher.
    Ihren Helden zwingen diese Filme oft eine Stellvertreterfunktion auf, die nicht deren tatsächlichen Lebenszusammenhängen entspricht.

    Uwe Frießner setzt in seinen Filmen Menschen ins Bild, die keine künstlerische Lobby haben und die aufgrund ihrer "Bedeutungslosigkeit" als Kinohelden bislang nicht gefragt waren, und er zeigt sie authentisch! Frießner kann seine Figuren ernst nehmen und sie als liebenswerte Menschen glaubhaft werden lassen, weil er sie kennt.
    Er beschönigt sie nicht im Geringsten. Auch wenn Frießner die Mittel des Action-Kinos einsetzt, geschieht das nie auf Kosten der Authentizität. Dazu trägt nicht zuletzt seine Entscheidung für Laien-Hauptdarsteller bei.