Produktionsjahr
1970

Regie, Buch
Rainer Werner Fassbinder

Kamera
Michael Ballhaus

Musik
Peer Raben

Schnitt
Franz Walsch, Thea Eymèsz

Ausstattung
Kurt Raab

Besetzung
Günther Kaufmann (Whity)
Hanna Schygulla (Hanna)
Ulli Lommel (Frank)
Harry Baer (Davy)
Katrin Schaake (Katherine)
Ron Randell (Ben Nicholson)
Thomas Blanco (falscher mexikanischer Arzt)
Stefano Capriati (Richter)
Elaine Baker (Whitys Mutter)
Mark Salvage (Sheriff)
Helga Ballhaus (Frau des Richters)
Kurt Raab (Pianist)
Rainer Werner Fassbinder (Gast im Saloon)
Peter Berling (Saloon-Wirt)

Produktion
Atlantis Film / antiteater-X-Film

Format/Länge
35 mm, Cinemascope, Farbe, 95 min.



Synopsis

Von Rainer Werner Fassbinder

Eine Mutter ist schwarz, und ihr Sohn sagt, ich will nicht, dass du diese Lieder singst. Welche Lieder? Schwarze Lieder! Der Sohn ist ein Mischling. Whity!
Ein alter Mann hat zum. zweiten Mal geheiratet. Seine junge Frau ist eine Hyäne. Man kann Menschen eine Spritze geben, dann schlafen sie ein. Für immer.
Zwei Brüder, einer ist ganz blöd, beim anderen kann man’s nie so genau sagen. Der alte Mann ist schnell mit der Peitsche.
Ein Mädchen singt in einem Western-Saloon. Das Mädchen ist schön. Der Mischling liebt das Mädchen. Was will’n der Nigger hier, sagt einer, und die Rose, die das Mädchen ihm geschenkt hat, hält er in der Hand, als er zusammengeschlagen im Dreck liegt. Sein Anzug ist hell.
Eine Frau betrügt ihren Mann. Mexikaner sind dumm. Ich liebe dich, sagt sie und – schlag mich. Sie hat wie die meisten hier die Fähigkeit, den Schmerz zu genießen.
Bring meinen Vater um, sagt ein Bruder. Whity nickt. Man muss den Schwarzen mehr Rechte einräumen, sie kommen dann weniger auf dumme Gedanken.
Der andere Bruder liebt Whity, Whity schlägt ihn. Whity küsst ihn. Irgendwo ist eine Zärtlichkeit, die hat keinen Raum in den Köpfen dieser Menschen.
Davie muss sterben.
Die Sängerin hat einen Plan. Whity, go to east! Whity sagt: Nie. Er liebt seine Familie.
Sie haben recht, wenn sie dich schlagen. Weil – du hast es ja gern, wenn sie dich schlagen.
Ein Vater peitscht seinen Sohn. Der ist stumm. Sein Mund ist weit aufgerissen zum Schrei. Kein Ton. Er lässt sich für Davie schlagen. Wahnsinn!
Ein Mann erschießt einen anderen Mann. Ein Mädchen sieht zu. Da war eine Intrige. Die ist nicht wichtig, es sei denn, man braucht eine Intrige. Und der Schmerz lässt eine Frau sagen: Mörder. Sie sagt es auf spanisch.
Ben wird sterben. Bring Frank um. Der Besitz ist dann unser. Es geht immer auch um Besitz.
Ich habe einen schwarzen Sohn, sie wissen das vielleicht.
Die Starken quälen die Schwachen. Wer Intrigen braucht, es gibt viele. Und Blumen. Und Hass. Warum hast du meinen Vater nicht ermordet? Warum hast du Frank nicht ermordet, ich hatte dich doch so darum gebeten.
Ich werde bald sterben. Das Testament endet: Ben Nathanael Richard Nickolson.
Weißt du, warum dein Vater den Mexikaner erschossen hat? Schnaps und Karten. Und schöne Lieder.
Whity bringt vier Menschen um. Den Vater. Die junge Frau. Die beiden Brüder. Wo Gewalt herrscht, hilft nur Gewalt.
Whity und das Mädchen werden verschwinden.

Synopsis, 1970




„Meine Filme handeln von Abhängigkeit“

Rainer Werner Fassbinder über seinen Film WHITY

WHITY endet mit einer Auflehnung, aber in Wirklichkeit wendet sich ja der ganze Film gegen den Schwarzen, weil er die ganze Zeit zögert und sich nicht gegen die Ungerechtigkeiten verteidigt. Zum Schluss schießt er zwar die Leute nieder, die ihn unterdrückt haben, aber danach geht er in die Wüste, wo er dann auch stirbt, weil er zwar viel erkennt, aber nicht zu handeln vermag. Er versteht seine Situation, aber er handelt nicht danach. Er geht in die Wüste, weil er nicht wagt die vollen Konsequenzen zu ziehen.
Ich finde es verständlich, dass er seine Unterdrücker ermordet, aber es ist nicht okay, dass er danach in die Wüste geht, denn damit akzeptiert er halt doch die Übermacht der anderen. Wenn er wirklich an seine Handlung geglaubt hätte, dann hätte er sich mit anderen Unterdrückten solidarisiert, hätte sich mit ihnen zusammengetan, und dann hätten sie gemeinsam handeln können. Diese Einzelaktion am Ende des Films ist keine Lösung, und deshalb richtet sich der Film zum Schluss auch gegen den Schwarzen. (...)
Als ich WHITY gedreht habe, hatte ich mir nicht vorher überlegt, einen Film über Rassismus zu drehen, und als ich KATZELMACHER gedreht habe, hab ich auch nicht gesagt, so, jetzt mach einen Film über Gastarbeiter – obwohl man das später über KATZELMACHER behauptet hat und mir dafür Preise gegeben hat. Mit dem Film DER AMERIKANISCHE SOLDAT wollte ich auch keinen Film über Vietnam drehen; für mich war immer wichtig, Filme über Menschen und deren Verhältnis zueinander zu drehen, über deren Abhängigkeit voneinander und ihre Abhängigkeit von der Gesellschaft. Meine Filme handeln von Abhängigkeit, und das ist ja eigentlich sehr sozial, denn Abhängigkeit macht Menschen unglücklich, und wenn man das bewusst macht, dann arbeitet man halt sozial.

Aus einem Gespräch mit Christian Braad Thomsen