INFOS

Textausschnitte aus der Pressemappe

Ein Jahr lang hat Franziska Tenner die rechtsextreme "Freie Kameradschaft Frankfurt
(Oder)" begleitet. Der Dokumentarfilm NO EXIT gewährt tiefe Einblicke in das
Denken und Handeln dieser Jugendlichen aus der deutsch-polnischen Grenzstadt.
NO EXIT zeigt die neue Strategie von rechten Parteien, die ein gesellschaftliches
Defizit ausfüllen wollen. Das soziale Engagement von privat organisierten und von
rechten Parteien gelenkten "Freien Kameradschaften" führt zu gesellschaftlicher
Akzeptanz. Durch Unterschriftenaktionen gegen Kinderschänder oder Singen im
Altersheim wird das klassische Schlägerfeindbild des "Neonazis" nicht nur in der
Öffentlichkeit revidiert.
NO EXIT zeigt, wie wirkungsvoll und gefährlich diese Entwicklung ist.

Buch und Regie: Franziska Tenner
Kamera: Peter Przybyl
Dramaturgie: Olaf Winkler
O-Ton: Michael Bartylak
Hendrik Lühdorf u.a.
Tonschnitt: Dietrich Körner
Tonmischung: Jörg Höhne
Montage: Paul Belling
Produktionsleitung: Oliver Niemeier
Produzenten: filmkombinat GmbH & Co. KG
J. Körner, T. Riedel, O. Niemeier
Produktionsleiter RBB Torsten Klein
Redakteurin RBB Cooky Ziesche
NO EXIT ist eine Gemeinschaftsproduktion von filmkombinat GmbH & Co. KG in
Zusammenarbeit mit der Kulturellen Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern,
ORB und ZDF. Die Reihe ”OSTWIND” ist eine gemeinsame Initiative
von ORB und ZDF / Das kleine Fernsehspiel.
Pressebetreuung OSTWIND: info@gscommunications.de
Verleih gefördert von der Kulturellen Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern
Dokumentarfilm, Deutschland 2003
100 Minuten, 35 mm, DTS, Farbe
Pressebetreuung: karolinekraut@basisfilm.de

SYNOPSIS

Jeden Samstag treffen sich die Mitglieder der „Freien Kameradschaft Frankfurt
(Oder)" in Nicos Wohnung zur politischen Schulung und anschließendem geselligen
Beisammensein bei Bier und Pizza. Nico, Fischi, Bibi, Conny und André werten
gemeinsam die Ereignisse der letzten Woche aus und planen Aktionen für die nächste:
Singen im Altersheim, Unterschriften sammeln, um „härtere Haftstrafen für Kinderschänder"
durchzusetzen, Saubermachen auf dem Spielplatz um die Ecke...
Nico ist in der „Freien Kameradschaft Frankfurt (Oder)" der Wortführer und lange
Arm der NPD. Über Nico wird versucht, die national gesinnte Politisierung der Gruppe
voranzutreiben und auszubauen. Manche, wie Conny, wünschen sich hingegen
mehr Gespräch über die privaten Probleme. Nico wird schließlich von den anderen
als Vorsitzender abgewählt. Dafür erhält Bibi den Vorsitz, der „mit Politik gar nicht
so viel am Hut hat".
Franziska Tenner hat in ihrem Dokumentarfilm NO EXIT über einen Zeitraum von
einem Jahr das Innenleben der „Freien Kameradschaft Frankfurt (Oder)" beobachtet.
Dabei lenkt sie unsere Sicht auf die Motive, Defizite und Wünsche ihrer Mitglieder.
Wir erleben die Gruppe als Teil der Jugendkultur im Osten und als politisches Phänomen,
das seitens der etablierten rechten Parteien, wie der NPD, immer wieder versucht
wird zu instrumentalisieren.
Die Gruppe wird als zwittriges und zerbrechliches Gebilde gezeigt, in dem unterschiedliche
politische Intentionen und ganz verschiedenartige persönliche
Ansprüche und Vorstellungen aufeinander prallen. Das führt zu verdeckten und offenen
Konflikten. Deutlich wird auch erkennbar, was in den regelmäßig stattfindenden
Schulungen an "brauner Färbung" verstärkt und was abgelehnt wird. Der Film zeigt
aber vor allem, wie die politische Gesinnung von den Menschen abtropft, wenn sie
uns Einblicke in ihr Innerstes gewähren. Dann erscheinen ganz und gar unpolitische
Sehnsüchte und Konflikte. Und wir können zugleich die eigentlichen Wünsche und
Defizite entdecken, die der Nährboden sind für eine politische Instrumentalisierung.
Rechtsextremismus ist heute kein ausschließlich politisch-ideologisches Phänomen
mehr, sondern auch ein soziokulturelles. Es stellt den lebenswirklichen Zusammenhang
dar, der fest verankert ist im Alltag seiner Träger. Die Gründe rechtsextrem zu
sein oder zu werden sind genauso unterschiedlich, wie die Schichten und das Alter
der dazugehörigen Personen.
Nico (22), Bibi (19) und Conny (28) stehen im Mittelpunkt dieses Dokumentarfilms.

DARSTELLER

Nico ist zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 22 Jahre alt. Er lebt in Frankfurt
(Oder) und arbeitet als Versicherungsvertreter. Außerdem ist er NPDMitglied
und Liedermacher. In Frankfurt (Oder) gibt es vier unabhängige,
nationale Kameradschaften. Eine davon, die „Freie Kameradschaft Frankfurt
(Oder)" wurde im März 2001 von Nico und gleichgesinnten Freunden
gegründet. Nico ist innerhalb der Kameradschaft der Arm der NPD, über
ihn wird versucht, die national gesinnte Politisierung der Gruppe voranzutreiben. Dabei hat
er es nicht leicht mit seinen politischen Schulungen innerhalb der Kameradschaft.
Als Nico zweieinhalb Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden. Seine Mutter verzichtete
auf das Sorgerecht, er blieb bei seinem Vater.
Nico ist auf der Suche nach Liebe und der Nähe zu Frauen. Die Menschen in der Kameradschaft
spiegeln Nicos Sehnsucht nach Zusammengehörigkeit wider, die er auch durch sein
politisches Engagement zu stillen versucht.
Conny ist zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 28 Jahre alt, lebt in Frankfurt
(Oder) und erzieht ihre zwei Kinder allein. Ihre große Liebe Denis sitzt im
Knast. Monatlich fährt sie ihn besuchen und träumt von der Zeit danach.
Sie will endlich wieder einen Mann an ihrer Seite. Dass sie ihn in den 18
Monaten ihrer Beziehung nur knapp vier Wochen in Freiheit erlebte,
spielt für sie keine Rolle.

Connys jüngeres Kind stammt aus einer Ehe mit einem marokkanischen Asylbewerber. Sie
ging die Ehe ein, um ihn vor der Abschiebung zu retten. Doch die Beziehung scheiterte an
häuslicher Gewalt und unvereinbaren kulturellen Ansichten.
Aus dieser persönlichen Erfahrung resultiert Connys - wie sie selbst sagt - „abartige politische
Meinung". In der Kameradschaft sucht sie nach sozialen Bindungen und Freunden, die
sich gegenseitig beistehen und helfen. Sie will gemeinsam Spielplätze säubern und sich für
„härtere Haftstrafen für Kinderschänder" engagieren. Über die Gruppe will sie die Betreuung
von inhaftierten Freunden und Bekannten organisieren.

Bibi - Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten ist Bibi 19 Jahre alt und hat ein Kind,
das bei der Mutter aufwächst. Bibi ist bekennender Skinhead, er versteht
sich als freier Nationalist mit anarchistischen Ansätzen. Während der Dreharbeiten
wird Bibi zum Vorsitzenden der „Freien Kameradschaft Frankfurt
(Oder)" gewählt. Er engagiert sich für eine Mahnwache und eine
Unterschriftenaktion für „härtere Strafen für Kinderschänder".
Bibi träumt, wie die meisten in der Kameradschaft, von einem Haus mit Garten und deutschem
Schäferhund. Im Frühjahr 2001 hat er einen anderen 19-jährigen nachts grundlos auf
offener Straße brutal zusammengeschlagen. Gegen ihn läuft ein Verfahren wegen schwerer
Körperverletzung und versuchtem Raub. Im Januar 2002 wurde er zu 16 Monaten Haft verurteilt.
Im Hinblick auf seine Tat fehlt Bibi jegliches Schuldbewusstsein.

INTERVIEW

„Wie sind Sie auf die Freie Kameradschaft Frank-
furt (Oder) gestoßen?"
Im Alter von 15 bis 20 habe ich selbst in Frankfurt
(Oder) gelebt, eine Ausbildung gemacht und
dann am dortigen Kleisttheater gearbeitet. Es
war eine schöne Zeit in meinem Leben.
Als es darum ging, einen Film über rechtsextreme
Jugendliche im Osten zu drehen, bin ich
bewusst nach Frankfurt gegangen, eben weil ich
diese Stadt einmal sehr gemocht habe.
Ich habe rechte Funktionäre, rechte Clubs und
Treffs recherchiert. Einmal setzte ich mich an
eine Straßenbahnhaltestelle mitten in Frankfurt
und beobachtete die Jugendlichen, die dort vorbeikamen.
Ich habe gewartet - und irgendwann
haben mich ein paar 16jährige Jungs angesprochen,
die vorher mit einer kleinkalibrigen Pistole
auf Tauben geschossen hatten. Wir haben einfach
geredet. Das ist viel unkomplizierter als
man sich das immer vorstellt. Ich habe auch
Fotos von ihnen machen dürfen und ihre Telefonnummern
bekommen.
Ich wusste, dass in Frankfurt ein relativ hoher
NPD/ JN - Funktionär lebt: Jörg Hähnel, seines
Zeichens auch Liedermacher. Und da mir meine
taubenschießenden Jungs auch gleich seine
Adresse gesagt hatten, klingelte ich dort.
Hähnel wohnte aber nicht mehr in dieser Altbauwohnung.
Da wohnte jetzt Nico, Kameradschaftsführer
der „Freien Kameradschaft Frankfurt
(Oder)". Er erzählte auch gleich von seiner
Kameradschaft, die sich jeden Samstag um 16
Uhr in der Wohnung zur Schulung treffe. Wir
vereinbarten, dass ich zur nächsten Schulung
komme, damit mich alle kennenlernen können,
dann ging ich wieder.
Ich glaube, alle aus der Kameradschaft waren
aufgeregt, als es um die Frage ging, ob ich mit
und über sie drehen dürfe. Sie fühlten sich auf
einmal wichtig und hatten doch auch Angst.
Auch ich wusste nicht, was mich erwartet. Niemand
konnte es mir sagen. Ich musste es selbst
herausfinden.
„Welche Erfahrungen bzw. Erkenntnisse haben
Sie während dieser Zeit sammeln können?"
Die Organisationsform Kameradschaft ist relativ
neu in unserer heutigen Gesellschaft. Ihr Sinn
bleibt ein alter: Alle Menschen wollen geliebt
werden und sind auf der Suche nach Liebe und
Glück. Diese menschliche Sehnsucht bietet sich
auch heute noch dafür an, politisch benutzt zu
werden.

Die Freie Kameradschaft, in die wir einen Einblick
erhielten, ist nicht die einzig existierende
Form einer Kameradschafts-Struktur. Unbestritten
mag es militantere, politischere und professionellere
Gruppen dieser Art geben. Doch die
Befriedigung ganz anderer Bedürfnisse jenseits
der politischen Orientierung zeigte sich unserer
Meinung nach an dieser Gruppe besonders
deutlich.
Charakteristisch für unsere Freie Kameradschaft
und deren Umfeld war auch, dass begangene
kriminelle Delikte - bis hin zu schwerer Körperverletzung
und fahrlässiger Tötung - häufig später
von den Tätern politisiert wurden. Die innere
und äußere Rechtfertigung bekam erst im
Nachhinein einen rechtspolitischen Anstrich.
Damit brauchte innerhalb der Gruppe keine
Auseinandersetzung mit der Tat als solcher
stattfinden. Außerdem haben die Jugendlichen
das Gefühl - und dieses Gefühl mag durchaus
seine Berechtigung haben -, dass sie in der
Gesellschaft als Rechtsextremisten „anerkannter"
sind und stärker wahrgenommen werden als
gewöhnliche Kriminelle.
Ich war erschrocken über die Maßlosigkeit dieser
Jugendlichen. Ihre Moral hatte nichts mit
meiner Moral zu tun.
Alle Mitglieder der Kameradschaft wurden in
ihrer Kindheit geschlagen. Das war und ist für sie
normal, auch heute noch: „Wer nicht hört, der
muss spüren! Dann merkt er es sich vielleicht!"
Ich konnte erkennen, dass meine Protagonisten
in einer Welt aufgewachsen sind, in der Sprache
kaum einen Wert besitzt.
Sie wissen auch nicht, was Vertrauen ist. Alles
läuft auf einer „Kumpelebene" ab, die jederzeit
Distanz ermöglicht. Dadurch sind sie anderen
Menschen nicht verpflichtet. Sie sind alle
eigentlich immer ganz allein, weil sie nicht wissen,
wie sie mit Menschen und ihrem Inneren
umgehen sollen.
Aber sie alle reagieren sofort, wenn sich ihnen
umgekehrt jemand auf dieser Ebene nähert: Sich
für ihre Befindlichkeiten, ihren Alltag, ihre Kindheit,
ihren Liebeskummer, ihre Träume, Hoffnungen
und Enttäuschungen interessiert. Dann fangen
sie auf einmal an zu reden und über sich
nachzudenken - und können auch z.B. zugeben,
dass sie gerade die größte Scheiße gebaut
haben. Dann können sie auch sagen, dass ihnen
Rechts und Links und Politik überhaupt scheißegal
ist. Auf die Frage, wovon sie träumen, haben
sie alle so oder ähnlich gesagt: Familie, Arbeit,
kleines Häuschen, Hund...

„Sie haben die Protagonisten insgesamt über ein
Jahr lang begleitet - Hat sich Ihr Bild von den
„Rechten" durch diese Arbeit verändert?"
Ich habe in der ersten Hälfte der 90er Jahre fürs
Fernsehen gearbeitet. Mein Themenschwerpunkt
war schon damals Rechtsextremismus.
1994 habe ich für den Aufbauverlag ein Buch
über rechte Frauen geschrieben. Das ist der
Background, mit dem ich natürlich auch an diesen
Film herangegangen bin.
Auch damals schon begleitete ich bestimmte
Rechte immer wieder. Damals waren allerdings
die Strukturen dieser Szene anders. Es gab die
großen Parteien, wie DA, NA, FAP, die Wikingjugend.
Das politische Mittel war vor allem die
Großdemonstration.
Dann kamen die Verbote und Inhaftierungen
Mitte der 90er Jahre. Die Szene schien gelähmt.
Die Frage für mich und andere Insider war, was
passieren würde, wie sich die Rechten neu organisieren
würden. Denn dass sie das tun würden,
stand immer außer Frage. Und dann entstanden
die Freien Nationalisten, die sich eben in den
Freien Kameradschaften organisierten. Sie trafen
sich oft auf scheinbar privater Ebene, um
ihre politischen Aktivitäten und Schulungen zu
organisieren.
Hinzu kam, dass die Musik in der Szene eine
immense Bedeutung gewann. Vorreiter ist unter
anderem Frank Rennicke gewesen, der auch im
Film zu erleben ist. Die Rechten nahmen die Tradition
der linken Liedermacherbewegung aus
den 70ern auf: politische Lieder, gesungen zur
Gitarre. Man muss sich das mal vor Augen halten:
Rennicke vergleicht sich mit Victor Jara und
Hannes Wader! Es wurden auch Lieder von
Westernhagen oder Kunze gecovert. Sie interpretieren
linke Lieder um, manchmal ohne den
Text zu verändern. Ich habe „Freiheit" von
Westernhagen gehört, gesungen von den „Landsern".
Über der Erkenntnis, wie gut dieses Lied in
ihrem Sinne funktioniert, blieb mir der Atem
stehen. Sie haben überhaupt keine Berührungsängste
mit linken Traditionen, weil sich die
Rechten, genau wie die linken Künstler damals,
als politische Kämpfer verstehen.
Insofern habe ich nun innerhalb der rechten
Szene ganz neue Erfahrungen gemacht, die nicht
nur der neuen Organisationsform geschuldet
waren, sondern auch der Anwendung völlig
anderer Mittel.
Und natürlich bin ich den Jungs in der „Freien

Kameradschaft Frankfurt (Oder)" viel näher
gekommen als ich es damals einem der „Rechten"
war. Das lag einerseits an der langen Zeit,
die ich mit ihnen verbracht habe. Allerdings
habe ich auch etwas völlig anders gemacht als
früher: Ich habe nicht mehr mit ihnen politisch
diskutiert, zumindest viel weniger als früher.
Einerseits kannte ich die ganzen Argumente
schon; es waren die Gleichen wie auch schon
Anfang der 90er gewesen: „Die Engländer haben
den Deutschen den Krieg erklärt; die Juden
haben die Deutschen boykottiert, Hitler wollte
ein vereinigtes Europa, so wie es heute die EU
will - blabla..."
Darüber hinaus bin ich inzwischen fest davon
überzeugt, dass diese Jugendlichen ganz genau
wissen, dass das, was sie da sagen, falsch ist.
Aber sie wollen es glauben. Jeder Mensch glaubt
an den Gott, an den er glauben will. Und sie wollen
das alles glauben, weil sie sich etwas davon
erhoffen. In Diskussionen kann man sie davon
nicht abbringen.
Folgende Erkenntnis beschreibt meinen neugewonnen
Blick auf die Rechten:
Jugendliche werden in unserer heutigen Gesellschaft
nicht wahrgenommen. Sie existieren über
weite Strecken als störende Randgruppe, die
weder gebraucht noch erwartet wird. Sie sind
überflüssig, scheint es, und eigentlich machen
sie nur Umstände. Die Jugendlichen merken das
ganz genau. In Frankfurt finden über 50 Prozent
der Schulabgänger keine Lehrstelle.
Die Jugendlichen bekommen gesellschaftliche
Aufmerksamkeit, wenn sie rechts sind. Und
damit haben sie ihr Ziel erreicht, das ist
verlockend.
Diese Erkenntnis war neu für mich. Die Motivation
rechts zu sein oder zu werden, ist heute bei
diesen Jugendlichen in erster Linie eine private,
persönliche Entscheidung, keine politische.
Damit ist ihnen auch schwerer beizukommen,
die eigene Positionierung ihnen gegenüber ist
schwieriger. Wenn man sich vor Augen führt, aus
welchen persönlichen Gründen diese jungen
Menschen in die Kameradschaften gehen, wird
es auf einmal menschlich, verständlich, und man
kann Mitgefühl entwickeln.
Die Frage ist dann natürlich, wie man diesem Phänomen
beikommen kann. Und da erweist sich die
Gesellschaft als zunehmend handlungsunfähig.
Insofern ist das Dilemma der Jugendlichen im allgemeinen,
der rechten im besonderen, viel
umfassender als ich angenommen hatte.

Der eigene Blickwinkel verändert sich zwangsläufig,
wenn man sich auf ein Monster einlässt
und entdecken muss, dass dahinter auch nur
kleine Würmer stecken. Ich wollte auch diese
Erfahrung in dem Film vermitteln, auch wenn
mir immer klar war, dass nicht jeder bereit sein
wird, sich darauf einzulassen.
„Wie hat die Gruppe auf den Film reagiert?"
Sie haben ihn mit mir zusammen gesehen, auch
Bibi hat ihn im Knast anschauen können.
Ich war schon aufgeregt. Aber es war nicht ihre
Wut oder Enttäuschung, die mir ein mulmiges
Gefühl verursachten, sondern das Wissen, dass
ich sehr tief in ihre Seelen geschaut hatte, was
der Film auch wiedergibt.
Wie würden sie mit der Darstellung ihrer eigenen
Sehnsüchte und Träume, ihres Dilletantismus,
der sie umgebenden Hoffnungslosigkeit
umgehen? Ich wusste, dass ihnen der Film weh
tun würde.
Und so war es dann auch. Alle waren sehr
betroffen. Manches über die Einzelnen wussten
sie untereinander gar nicht. Natürlich haben sie
sich selbst nie so gesehen, aber sie konnten auch
nicht sagen, dass der Film nicht stimmt. Das
haben sie wohl gemerkt und dann auch gar
nicht erst zu diskutieren versucht. Nico hatte
schon gehofft, dass er sich über den Film ein bisschen
in der Szene profilieren könnte. Nach
dem Film kam von ihm die Frage, warum ich
nicht etwas von seinen politischen Statements
verwendet hätte. Es hat mich nicht interessiert,
war meine Antwort.
„Was wünschen Sie sich für den Film?"
Ich wünsche mir Offenheit, den Mut, sich auf
diese Menschen einzulassen.
Ich möchte mit dem Film daran erinnern, dass
jeder, mich eingeschlossen, Verantwortung für
seine Mitmenschen hat, dass es wichtig ist, sich
füreinander zu interessieren und über alle Barrieren
hinweg im Gespräch zu bleiben.

Franziska Tenner (Regie und Buch)
Die Regisseurin Franziska Tenner wurde 1972 in Thüringen geboren. Sie arbeitete von 1988
bis 1991 als Regieassistentin an den Stadttheatern Frankfurt (Oder), Görlitz und Zittau. Von
1991 bis 1994 war sie als Redakteurin bei der Mefisto Video GmbH Berlin mit dem Themenschwerpunkt
Rechtsextremismus beschäftigt. Ihr erstes Buch „Ehre, Blut und Mutterschaft”
erschien 1994 im Aufbau Verlag Berlin. Seit 1994 studiert Franziska Tenner an der HFF „Konrad
Wolf” Potsdam-Babelsberg Film- und Fernsehregie. Unter ihrer Regie entstanden an der
HFF die Kurzfilme „November”, „Nicole - Einsam bist Du trotzdem” und „Charuzi Navi”.
NO EXIT ist ihr erster abendfüllender Dokumentarfilm.
Franziska Tenner über die Arbeit an NO EXIT
Als ich begann, in Frankfurt (Oder) zu recherchieren, war
mir noch nicht klar, welche Dimensionen das Ganze
annehmen könnte. Ich begleitete die "Kameradinnen" in
ihrem Alltag, bei ihren Aktionen, während ihrer Treffen.
Über Freie Kameradschaften, die Freien Nationalen, wusste
ich nichts außer der Tatsache, dass sie existieren. Mir
war klar, dass ich alles, was mich interessierte, nur bei
ihnen selbst erfahren könnte. Das bestätigte sich später
in Gesprächen mit Sozialarbeitern, Polizeibeamten, Wissenschaftlern,
Eltern und anderen. Sie alle wussten nichts,
so wie ich am Anfang. Es gab noch keinen Film über die
relativ neue Organisationsform der Freien Kameradschaften. Ich wollte wissen, was junge
Menschen in diesen kleinen politischen Gruppen suchen.
Bei der ersten Begegnung waren alle noch ganz schüchtern. Keiner traute sich, etwas zu
sagen. Nur Nico rasselte seine NPD-Schulung herunter, ohne nach links oder rechts zu
sehen. Das war der Anfang.
Am Anfang war: Faszination, Erschrecken, Unverständnis, auch Ekel. Alles war so durchschaubar,
die Floskeln waren so durchsichtig, ein für mich dilettantisches Selbstbild; ich
fragte mich, ob ich in ihrem Alter auch so war, als ich noch in Frankfurt lebte. Sie und ich -
wir sind in einer Welt groß geworden. Wir teilen denselben historischen Hintergrund, dieselben
gesellschaftlichen Erfahrungen.
Ich gewann ihr Vertrauen, das - so denke ich heute - nie ganz vorbehaltlos war. Und dann
entwickelte ich Strategien, um die Intensität in unseren Begegnungen zu steigern, sie vergessen
zu lassen, dass ich ein Fremdkörper für sie bin, der versucht, sie zur Reflexion zu
zwingen. Und irgendwann geschah es natürlich auch, dass sie mit einem Mal Reflexionen
von uns aufnahmen, benutzten; sie wussten, dass uns bestimmte Fragen beschäftigen und
versuchten diese dann selbst zu thematisieren. Gleichzeitig bemerkten sie, dass meine Fragen
sie auch entblößten und ich sie in ihrer Einsamkeit erkannte. Der Versuch, meine Beobachtungen
zu entschärfen, bestimmte Themen selbst aufzugreifen; das hatte gleichzeitig
etwas von Waffen-Strecken und von Waffen-Umkehren.

FILMKOMBINAT GmbH & Co. KG (Produktionsfirma von NO EXIT)
Geschichte:
• gegründet 1999 nach / während ca. 2 Jahren Produktionsleitung vor allem für die dffb und HFFPotsdam,
zunächst als GbR mit Standorten in Berlin und Dresden
• 2000 Umwandlung in GmbH & Co. KG mit Hauptsitz Dresden, Niederlassung Berlin
Jens Körner
• geboren 1973, aufgewachsen in Chemnitz, 1992 Zivildienst in Erfurt, 1993-98 BWL-Studium an der
TU Dresden, Commerzbank Preis für Diplomarbeit über Kulturvergleich, 1998 Aufbaustudium Kulturwissenschaft,
später Produktionsleitung in Berlin
Thomas Riedel
• geboren 1970, aufgewachsen und Zivildienst in Dresden, 1992-98 BWL-Studium an der TU Dresden,
1999 Aufbaustudium Kulturmanagement Berlin, seit 1998 diverse Filmtätigkeiten
Oliver Niemeier
• geboren 1972, aufgewachsen und BWL-Studium in Chemnitz bzw. Mittweida (1993-99), jeweils
einjährige Studienaufenthalte in New York (DAAD-Stipendiat, Diplomarbeit, Fotografie, Visuelle
Kommunikation) und Irland (European Business Studies)
FILME:
ferner liefen Dokumentarfilm von Michael Schorr, 35mm, 91 min., Dolby SR
Erste Ehe Spielfilm von Isabelle Stever, 35mm, 92 min., Dolby SR
NO EXIT Dokumentarfilm von Franziska Tenner, 35 mm, 100 min., DTS Stereo
Schultze gets the blues Kinospielfilm von Michael Schorr, 35mm, 109 min., Dolby Digital
Die Schliessung (AT) Dokumentarfilm von Olaf Winkler & Dirk Heth, 35mm, ca. 80 min.
(in Postproduktion)
Berührungen (AT) Dokumentarfilm von Igor Heitzmann, 35mm, ca. 90 min.
(in Postproduktion)
Das Märchen vom Dokumentarfilm von Wolfgang Reinke, DV-Cam, ca. 90 min.
Fischlein (AT) (in Produktion)
weitere infos unter: www.filmkombinat.de

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