Preis der deutschen Filmkritik für den besten Dokumentarfilm
Bekanntgabe: 29.1.2004


AKTUELLE PRESSESTIMMEN:

"Die gruppendynamischen Prozesse verschmelzen dann irgendwann mit Tanz und Musik, und es entsteht ein `Produkt`, dem man die Spielfreude der Protagonisten ansieht, deren altersbedingte körperliche Wehwehchen plötzlich wie weggeblasen sind. Lilo Mangelsdorff hat mit ihrer wunderbaren Bildgestalterin Sophie Maintigneux, die für ihre Arbeit den deutschen Kamerapreis 2003 erhielt, sehr genau hingesehen auf die Bewegungen und Gesichter. Vor allem aber verschont sie uns mt einem erkärenden oder sogar belehrenden Kommentar, verlässt sich ganz auf die Bilder ihrer chronologisch montierten Langzeit-Studie und die Aussagen ihrer Protagonisten. So werden sie zu den Stars dieser Dokumentation, ..." (Aachener Zeitung, 15.1.04)

"Dabei kam ein wunderbar leichtfüßiger Film heraus über Tanz, über das Alter und das Glück.“ Frankfurter Rundschau, 6.11.2003

„Eine Liebeserklärung an das Altern.“ zitty Berlin, 16.-29.10.2003

„Man spürt die Konzentration und das große Vergnügen, das Ihnen dieser Liebesreigen von Suchen und Zurückweisung bereitet. Fazit: Ein beschwingtes Gruppenporträt ausdrucksstarker Persönlichkeiten.“ Hamburger Morgenpost, 25.9.2003

"Immer wieder Gelächter aus den Reihen des Filmpublikums, dazwischen Stille, einige haben Tränen in den Augen angesichts der anrührenden Szenen, zum Schluss heftiger Applaus. Im Filmforum Höchst läuft der Film `Damen und Herren ab 65´ und im Parkett sitzen ebensolche. (...) Die Kamera hält dezent fest, und begleitet die Senioren, die als Laienschauspieler in dem Tanztheaterstück `Kontakthof´ mitwirken, das 1978 uraufgeführt wurde. (...) Hautnah erlebt der Zuschauer die Freude, den Stolz und die Begeisterung, die Ängste, die Hemmungen, aber auch die Arbeit und Mühe und sieht die Entwicklung nicht nur des Stücks, sondern auch die der Akteure. (...) `Die Schönheit des Alters´ sei ihr aufgefallen, erklärt eine Zuschauerin im Gespräch mit der Filmemacherin nach der Vorführung, `je länger ich die Leute angeschaut habe, desto schöner kamen sie mir vor´. Es sei beeindruckend, wie selbstverständlich dort alle alt waren, fiel einer Damen auf, und eine andere bedauerte, `dass wir Senioren selten die Chance haben, an unsere Grenzen zu gehen und den Wert des Alters neu zu bestimmen´. Dass dieser Film viele sehr persönlich anspricht, machte die Diskussion im Publikum deutlich. (...) `Dankenswerterweise zeigt der Film Senioren nicht als fitte und rüstige Alte, sondern als Menschen, die sich auch in diesem Alter noch einem Lernprozess aussetzen und die ihrer Sehnsucht nach Nähe und Berührungen Ausdruck verleihen lernen´,.... (...) Der Film habe ihm bewusst gemacht, dass es nicht darum gehe, sich nur wohlzufühlen, sondern dass auch Anstrengung zum Leben gehöre und wir unsere `seelischen Bizeps´ mehr anstrengen sollten. ` Das dazu notwendige Sich-Überwinden müssen wir alle immer wieder neu lernen´, zog ein Zuschauer sein persönliches Fazit."
Frankfurter Neue Presse, 13.10.03


Das Toben lernen
„... Passender und überzeugender aber als mit dem neuen Film von Lilo Mangelsdorff, einer Regisseurin, die seit vielen Jahren mit ihrem Dokumentar- und Experimentalfilm Stammgast der Filmschau ist, hätten diese fünf Tage nicht beginnen können. Und, um es vorwegzunehmen, „Damen und Herren ab 65“, der am 3. April im Kino Mal seh’n anläuft, ist ein wunderbarer Film, mit viel Sympathie für die Protagonisten und einer Kamera, dezent und unspektakulär, als wäre sie gar nicht vorhanden, wofür Sophie Maintigneux zu Recht beim Leipziger Festival ausgezeichnet wurde.
Ganz leicht kommt diese Dokumentation daher und ist doch durchchoreographiert wie das Tanztheaterstück, um das sich alles dreht. Per Zeitungsannonce hatte Pina Bausch Laiendarsteller ab 65 gesucht, um mit ihnen ihr 1978 entstandenes Stück „Kontakthof“ neu zu inszenieren. Der Film folgt chronologisch den Stadien der Inszenierung, beobachtet die 26 älteren Damen und Herren bei schweißtreibenden Proben mit den Profis, bis das Stück selbst, je näher die Aufführung rückt, sich dem Zuschauer desto klarer erschließt. Doch das eigentliche Thema ... sind die Menschen, ihre Ängste und Hemmungen, ihre Arbeit und Entwicklung, ihre Aufregung und Begeisterung.
Wie sie sich wundern über die Rituale der Tänzer, die sich zu jeder Probe begrüßen, als hätten sie sich Monate nicht gesehen – und wie sie selbstverständlich und herzlich die Umgangsformen der Künstler übernehmen; wie einer nicht begreifen kann, wie man „Gefühle reinbringen kann beim neutralen Gehen“, und wie man dann sieht, wie er sich da herantastet, buchstäblich Schritt für Schritt. Wie sie neue Facetten an sich selbst entdecken, wie sie lernen zu kokettieren, zu toben wie eine Furie oder als alte, erfahrene Menschen mit offener, auch verletzender Kritik umzugehen und wie sie, die sich bis vor kurzem völlig fremd waren, gemeinsam etwas schaffen: das ist nicht rührend, sondern schön. Und wäre dies nicht eine so sanfte, auf jedes Tamtam, jede Wichtigtuerei, aber auch auf falsch tönende Sentimentalitäten verzichtende Beobachtung, man müßte sie atemberaubend nennen.
Denn zum Glück hat Mangelsdorff keinen Film über rüstige Senioren gedreht. Sie hat Menschen und ihre Arbeit ernstgenommen. Und sie nimmt sich Zeit, führt die Darsteller mit offenen, ehrlichen Interviews ein, bleibt während der Proben für Minuten inmitten der Tänzer dicht bei ihnen, öffnet die Szene, wendet sich weiteren Protagonisten zu und kehrt wieder zurück, als wiederholte sie eine Tanzfigur. Alle diese Fäden verweben sich wie selbstverständlich zu einem Bild. Alles greift ineinander, Pina Bauschs Stück, das so trefflich Facetten aus dem Leben dieser Menschen zu spiegeln scheint, die Inszenierung mit den Tänzern, die Entdeckung der eigenen Persönlichkeit, neuer Charakterzüge und neuer Möglichkeiten. Und am Ende der 70 Minuten, wenn sich alle nach der Vorstellung verbeugen, glücklich, erschöpft, und von den bevorstehenden Gastspielen in ganz Europa erzählen, dann bringt man diesen Menschen aufrichtigen Respekt entgegen.
Christoph Schütte in FAZ vom 22.03.2003


Von und mit Anfängern
„Dieser Film ist ein Lächeln mit glasigen Augen. Wenn alte Frauen in rosa Kleidchen barfuß über die Bühne trippeln, albern lachen, kokettieren und die Hüften schwingen, dann hat das etwas Rührendes. Es ist Alter und Nähe zum Tod, Jugendlichkeit und Lebensfreude, es ist traurig und entzückend zugleich. Die Frankfurter Regisseurin Lilo Mangelsdorff hat in ihrem Film „Damen und Herren ab 65“ die mittlerweile bekannte Laien- und Seniorentanzgruppe von Pina Bausch bei Proben ihres Stückes „Kontakthof“ begleitet: Sensibel und vertraut bewegt sich die Kamera zwischen Tänzern und Tänzerinnen, erfasst den verfremdenden Ausdruck der Choreographie Pina Bauschs. Vor allem aber nimmt sie die alten Menschen, die zunächst als blutjunge Anfänger auf der Bühne stehen, genau ins Visier. Immer wieder werden Ausschnitte von Interviews eingeblendet, die von der Verwandlung im Tanz und dem Umgang mit Alter und Körperlichkeit erzählen ...
Frankfurter Rundschau 22.3.03


Momente des Glücks hält Lilio Mangelsdorff im Kinofilm „Damen und Herren ab 65“ fest, wenn sie Senioren begleitet, die als Laienschauspieler in Pina Bauschs Neuinszenierung des Theaterstücks „Kontakthof“ mitwirken, das 1978 uraufgeführt wurde.
Neue Züricher Zeitung, 25.2.02


.... in 70 wunderbaren Minuten zwei Dutzend ältere Leute porträtiert, die ein Pina Bausch-Tanzstück einstudieren – mit Lust und Leidenschaft, Hemmungen und Heißhunger auf Perfektion.
Leipziger Volkszeitung, 21.10.02


Eine Erholung von öden Kriegsschauplätzen und den beklemmenden Grenzregionen zum Privaten boten die „schärfsten Tänzer zwischen Rhein und Wupper“. In „Damen und Herren ab 65“ trotzt Lilo Mangelsdorff mit der unglaublichen Vitalität ihrer nicht mehr jungen, aber doch sehr rüstigen Protagonisten dem allgemeinen Jugendkult. Der Film dokumentiert die Proben und Auftritte der Tänzer im Alter zwischen 60 und 80 Jahren, die Pina Bausch 1998 für die Neuinszenierung ihres Stückes „Kontakthof“ ausgesucht hat. Das Tanzen im Ensemble, die Proben mit den Choreografen und die Erfolge bei den Premieren in Paris, London und Rom haben die Herrschaften spürbar verjüngt und verändert. So sind hier die revitalisierende Wirkung des Tanzens und freigesetzte Energien zu studieren, die man Menschen in diesem Alter kaum noch zutraut. Nicht nur in der – zuerst geschilderten, dann auch gefilmten – Art der Begrüßung: dass man sich, wie unter Tänzern üblich, küsst und herzt, wenn man sich wiedersieht. Lilo Mangelsdorff Montage hat durchgängig kinoreife Qualitäten, etwa wenn die Tänzer von den Anfängen der Inszenierung erzählen oder wenn sie hinter der Bühne immer wieder einen engen Korridor hinunter laufen. Den Preis für die beste Kameraführung ging verdienterweise an Sophie Maintigneux, die das alles mit zurückhaltender Kamera und doch nah dran beobachtet hat. Pina Bauschs Wunsch, dass die Damen und Herren schön aussehen sollen, ist überzeugend in Erfüllung gegangen.
filmdienst, 23/02