Zum 60. Geburtstag NEU im Kino:

Whity I Rio das Mortes I Niklashauser Fart I Pioniere in Ingolstadt 


FASSBINDER DIE FILME DES RWF

Filme müssen irgendwann einmal aufhören, Filme zu sein, müssen aufhören,
Geschichten zu sein und anfangen, lebendig zu werden, daß man fragt, wie sieht
das eigentlich mit mir und meinem Leben aus.
(Fassbinder, 1974)

Als 1969 die ersten beiden Spielfilme Fassbinders, LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD und KATZELMACHER, aufgeführt wurden, war das der Beginn einer neuen Epoche im deutschen Kino. Zwar hatten innovative Ideen, Programme und Spielfilme in der Folge des Oberhausener Manifests den Tod von Opas Kino besiegelt und Abschied von gestern genommen, und erste Zielgruppenfilme trugen die Revolte auf Super 8 und 16mm in Hörsäle, Gewerkschaftsgruppen und Kellerkinos, aber Fassbinder brachte nun mit seinem filmischen Doppelschlag eine neue Qualität in die Auseinandersetzung um den deutschen Kinofilm: Radikal in Form und Inhalt, kompromißlos gegenüber Verleihern und Fernsehredaktionen, operierte er mit Genres und einer Ästhetik, die seine Kritik an lebensfeindlichen Verhältnissen der Bundesrepublik einem breiten Publikum nahebringen sollte.

Von diesem ersten Moment an bis zu seinem Tod 1982 war Fassbinder Anreger und Motor des unabhängigen deutschen Films, öffnete Wege des Erzählens und des unabhängigen Denkens auch für andere FilmemacherInnen, zeigte, wie Kreativität mit gesellschaftlichem Scharfblick und Engagement zusammengehen konnte. Seine immense Bedeutung für das Kino liegt deshalb vielleicht auch weniger in einzelnen Werken, als vielmehr in der radikalen persönlichen Haltung, mit der er an seinen Stoffen arbeitete. Und je größer jetzt der Abstand zur Entstehungszeit der Filme wird, desto deutlicher tritt deren Konsequenz und innere Beziehung zueinander ans Tageslicht.

Der Basis-Film Verleih bringt anlässlich von Fassbinders 20. Todestag in Zusammenarbeit mit der Rainer Werner Fassbinder Foundation ein Programm von 15 Spiel- und 2 Kurzfilmen dieses Autor-Regisseurs heraus. Entsprechend einem der Filmtitel steht diese Werkschau unter dem Motto

WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE

Nichts könnte den berserkerhaften Willen zur Wahrheit und zur Analyse seiner selbst und seiner Zeit besser beleuchten, als diese Warnung, wenn man sie nicht nur auf die Nutte Kino bezieht, sondern auch auf deren Schöpfer selbst: Da ist einer, der Geld, Kraft und Können anderer Leute rigoros dazu einsetzt, seine Visionen, Ängste und Träume in die Öffentlichkeit zu bringen; dessen bitteres Urteil und dessen aggressive Menschlichkeit die Bitterkeit und das Liebesbedürfnis all dieser Leute mit aufnimmt.

Die Werke dieses größten Filmkünstlers und Unruhestifters des deutschen Nachkriegskinos gewinnen neue Qualitäten, wenn man sie wiedersieht. Während manches von dem, was bei der Premiere provozierte, heute an Brisanz verloren hat, nimmt anderes, früher eher Übersehenes, an Deutlichkeit zu. Zerrüttungen undTäuschungen, die durch neue Moden, Ideologien und geänderte politische Weichenstellungen unsichtbar gemacht werden, treten im Licht seiner Filme schärfer hervor. Fassbinder, großer Stilist (bis zur Manieriertheit) und großer Realist (ohne in Naturalismus zu verfallen) bleibt Stachel im Fettlebe-Fleisch der Bundesrepublik, Prüfstein für ihre Glaubwürdigkeit, ihre Menschlichkeit und ihre Fähigkeit, das eigene Gesicht, wo es entstellt ist, kritisch anzusehen.

Es wäre sicher für jedes Publikum ein einmaliges Erlebnis, diese Filme nacheinander in einer großen, mehrtägigen Gesamtschau zu sehen. Nicht nur die Entwicklung Fassbinders vom suchenden, experimentierenden Genre-Kenner und theatralischen Realisten (Gangsterfilme und KATZELMACHER) zum Chronisten und Analytiker von Gefühlen und Machtstrukturen (DIE EHE DER MARIA BRAUN) kann erfahren werden, sondern auch die innere Homogenität dieses Oeuvres und seine radikale Bindung an das subjektive Empfinden des Filmemachers. Ich habe neulich mal sämtliche Filme im Laufe von vier Tagen gesehen ... Wenn man sie im Zusammenhang sieht (RWF spricht hier speziell von seinen ersten neun Filmen), dann wird einem klar, daß sie von jemandem gemacht wurden, der da seine Sensibilität, seine Aggressionen und seine Angst umsetzt. (Fassbinder, 1976) Aus den vielen Filmen wird in einer solchen Gesamtschau ein einziges, grandioses Werk. Der Zuschauer kann durch Zeiten und Geschichten wandern, und bald wird er feststellen, daß er sich auf einer großen Wanderung durch sein eigenes Leben befindet.

Viele Kinos werden die Filme jedoch nur einzeln oder in einer Auswahl, vielleicht verteilt über einen größeren Zeitraum aufführen können. Dafür werden Kapazitäten, Programmpolitik und inhaltliche Konzeption der Kinomacher ausschlaggebend sein. Jeder Fassbinder- Film ist ein Erlebnis. Doch wir hoffen, dem Filmemacher nicht Unrecht zu tun und ihn nicht auf einfache Schlagworte zu reduzieren, wenn wir die Filme in zwei Themenbereiche einteilen, die wir als zentral für sein Werk und auch als besonders aktuell ansehen: FASSBINDER HEUTE: SEELE IN DEUTSCHLAND und FASSBINDER HEUTE: DIE ANDERE SEITE DER GEWALT. Mit dem Vorschlag an die KinomacherInnen, in ihrem Programm diese beiden Aspekte des RWF zu repräsentieren, wollen wir dessen radikalem Blick auf die Gesellschaft und auf die Kämpfe und Leiden der Menschen entsprechen, ohne ihm seine wunderbare und herausfordernde Vieldeutigkeit zu nehmen. Die folgende Materialsammlung soll künftige Diskussionen über Fassbinders Filme unterstützen. Das Neu-Herausbringen dieser 15+2 Fassbinder-Filme wird von unserem Optimismus begleitet, dafür ein neues, insbesondere junges Publikum zu gewinnen. Wir haben die Auszüge aus Interviews, Kritiken, Essays und Monografien ausgewählt unter der Fragestellung: Mit welchen künstlerischen Mitteln hat RWF seine Sicht der Welt ausgedrückt? Wie ist die Kunst seiner Filme mit dem Zustand der Gesellschaft verbunden? Wie zielen seine Filme ins Heute? Jede Zeit muß die Aktualität des RWF neu für sich entdecken. Wir wollen etwas beitragen zum Kino unserer Tage.

Clara Burckner
Christian Ziewer
Basis-Film Verleih Berlin, Juli 2001

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Pressemappe als PDF

Pressefotos zu den Filmen
(high und low resolution)
  DIE FILME
  1966
Der Stadtstreicher

1967
Das kleine Chaos

1969
Liebe ist kälter als der Tod

Katzelmacher

Götter der Pest

1970
Der amerikanische Soldat

Niklashauser Fart

Rio das Mortes

Warnung vor einer heiligen Nutte

Whity

1971
Händler der vier Jahreszeiten

Pioniere in Ingolstadt

1972
Die bitteren Tränen der Petra von Kant

1973
Angst essen Seele auf

1974
Fontane Effi Briest

Faustrecht der Freiheit

1975
Mutter Küsters' Fahrt zum Himmel

Angst vor der Angst

1976
Satansbraten

Chinesisches Roulette

1978
Die Ehe der Maria Braun