Die Aids Trilogie:

Positiv
unter Mitarbeit von Phil Zwickler, Robert Hilferty, Steven Weiss
Positiv zeigt die Antwort schwuler Männer in New York auf Aids, er zeigt den großartigen und mutigen Kampf einer Minderheit, die sich selbst organisiert hat, da Staat und Stadt sie mit Ignoranz behandelten.
Ronald Reagan und der damalige Bürger-meister von New York, Ed Koch, taten wenig an Aufklärung und finazieller Unter-stützung, um die Aids-Krise zu meistern. Positiv zeigt Helden der Aids-Bewegung wie den Schrift-steller Larry Kramer, der die erste Aids-Selbs-thilfegruppe anregte und schließlich die militante Aids-Aktionsgruppe ACT UP.
Sie stellt den Sänger Michael Callen vor, der mithalf Menschen mit Aids zu organisieren und Mitbestimmung an allen sie betreffenden Entscheidungen fordert. Er selbst ist ei-ner der am längsten überlebenden Personen mit Aids und macht damit seinen Freunden Mut, sich nicht als Opfer zu sehen, sondern als aktive Menschen, die mithelfen können im Kampf gegen Aids.

Darsteller:
Phil Zwickler, Larry Kramer, Michael Cal-len, Peter Staley, Gary Eller, Diamanda Ga-las, Jay Corcoram, John Finch, Ronald Rea-gan, Larry Mass, Arnie Kantrowitz

Kamera: Mike Kuchar
Evan Estern
Ton: Mark Milano
Musik: Diamanda Galas
Michael Callen
Ricky Ian Gordon
Jim Ferreras
Schnitt: Mike Shephard
Rosa von Praunheim
Produktionsltg.: Elke Peters
Redaktion: H. J. Rosenbaueer
Gerhard Honal
Produktion: Rosa von Praunheim/WDR
mit Unterstützung der
Berliner Filmförderung
BRD 1990, 79 Min., 16 mm, Farbe

Schweigen = Tod
unter Mitarbeit von Phil Zwickler

Künstler in New York kämpfen gegen Aids. Die Wut und Radikalität New Yorker Künstler mit Aids kann nur der verstehen, der das Ausmaß der Katastrophhe in dieser Staddt kennt.
Im Sommer 1989 wurden 22.000 Menschen mit Aids gezählt. 10.000 sind infiziert und haben erste Anzeichen der Krankheit. 10.000 Menschen mit Aids sind wohnungslos. Das Gesundheitssystem in den USA ist schlecht, nur wenige sind krankenversichert. Die Zustände in den Krankenhäusern sind katastrophal.
Der Bürgermeister von New York, Ed Koch, gab in den ersten Jahren der Aids-Krise nur 25.000.- Dollar für Aids aus. Die kleine Stadt San Francisco dagegen 4 Millionen. Öffentliche Aufklärung wurde von den Kirchen blockiert, Kondomwerbung schwer gemacht.
In Amerika glaubt man nicht an den Staat. Um etwas zu erreichen, muß sich jeder selbst organisieren, den Politikern Druck machen; denn Schweigen bedeutet Tod.

Darsteller:
David Wojnarowicz, Rafael Gamba, Paul Smith, Peter Kunz, Don Moffet, Bern Boyle, Keith Haring, Allen Ginsberg, Emilio Cubiero

Regieassistenz: Steven Weiss
Kamera: Mike Kuchar
Evan Estern
Ton: Mark Milano
Musik: Diamanda Galas
Produktionsltg.: Elke Peters
Mitarbeit: Michael Lutetin
Marina Zurkow
Mike Shephard
Redaktion: Manfred Naegele
Produktion: Rosa von Praunheim/
SDR

BRD 1989, 55 Min., 16 mm, Farbe

Feuer unterm Arsch
unter Mitarbeit von Patrick Hamm

Vom Leben und Sterben schwuler Männer in Berlin.
Aktionen und Reaktionen von Aids-Aktivisten und Betroffenen in Berlin.
Deutlich werden kontroverse Positionen zu Safer Sex und zu den Formen und Möglichkeiten politischer Arbeit in der Aids-Krise.
Während die einen die Propagierung von Safer Sex als „Hetero-Terror“ und Fortsetzung der Schwulenunterdrückung begreifen, geht es anderen um vorsorgende Sexualerziehung und Betreuung bereits Erkrankter: Überleben in Berlin . . .

Darsteller:
Günther Thews, Bernd Stürzenberger, Martin Dannecker, Andreas Höhne, Patrick Hamm, Ischgola, Androgyn, Dieter Telge, Matthias Frings, Bev Stroganov, Melitta Sundström, Ades Zabel, Andreas Salmen, Napoleon Seyfarth, Marion Wirz

Kamera: Elfi Mikesch
Schnitt: Rosa von Praunheim
Patrick Hamm
Musik: Melitta Sundström
Roland Ingolf
Produktionsltg.: Elke Peters
Redaktion: H. J. Rosenbauer
Gerhard Honal

Produktion: Rosa von Praunheim/
WDR
mit Unterstützung der
Berliner Filmförderung

BRD 1990, 50 Min., 16 mm, Farbe



Verschärfte Aidsidentität
(Heike Kühn, in:
Frankfurter Rundschau v. 19.5.90)

Positiv
„Positiv heißt der erste Teil der Aids-Trilogie, die Rosa von Praunheim zwischen 1989 und 1990 gedreht hat und „positiv“, also aidsinfiziert, sind die meisten der New Yorker Homosexuellen, die der Filmemach-er über ihren Umgang mit der Krankheit befragt hat. Positiv bezeichnet aber auch ei-ne Geisteshaltung, die vor der eigenen Be-troffenheit nicht kapituliert. Rosa von Praunheims Interviewpartner sind Mitglie-der einer Widerstandsbewegung, die gegen die vermeindliche Schicksalhaftigkeit ihres Leidens rebellieren.
Vom Zuspruch einer intimen Selbsthilfe-gruppe bis zur politischen Mobilmachung der militanten Aids-Aktionsgruppe „Act Up“ ist den Leidenden der Mut gemein, mit dem sie die restriktive und ignorante Hin-haltetaktik des Staats und der Stadt anprangern, die unter der Ägide Ronald Reagans und des New Yorker Bürgermeisters Ed Koch in den ersten Jahren der Aidsüber-tragung lediglich 25.000 Dollar für Aufklä-rung, Kondomwerbung, medikamentöse und soziale Hilfe zur Verfügung stellten.
Zum Vergleich: Die kleine Stadt San Francisco bot für Vorsorge und Behan-dlung vier Millionen Dollar auf. New York, so das Fazit der Betroffenen, die mit Cou-rage und Phantasie, aber auch durchaus verständlicher Aggression und Provokation um Einsicht werben, hat das Ausmaß der Katastrophe gelassen in Kauf genommen.
Passanten, die der Regisseur gemeinsam mit seinen Mitarbeiter Phil Zwickler am Rand einer Schwulen-Demonstration um ihre Meinung bat, bestätigten die indifferente Häme dieser Politik: Die Schwulen, so der vermutlich duraus repräsentative Tenor der sogenannten Normalen, sol-lten an der „Lustseuche“ zugrunde gehen, dann wäre das Problem für alle Zeiten geregelt.“

Schweigen = Tod
„In Schweigen = Tod, dem zweiten Teil der Trilogie, wird es das überlieferte State-ment des Gouverneurs von Texas sein, das Amerikas faschistioden Sexismus auf den Punkt bringt: „Wenn du Aids stoppen willst“, so der Politiker, der dich nicht „auf Sen-dung“ glaubte, zu einem Rundfunkreporter, „dann knall die Schwulen ab.“
Schweigen = Tod versammelt wie Po-sitiv eine Vielzahl von Kurzporträts, die durch ihre Radikalität und offenheit beeindrucken. Diesmal sind es aber hauptsächlich Akteure der New Yorker Kunstszene, die Rosa von Praaunheims behutsame und doch fordernde Interviewtechnik zur Selbst-entäußerung bewegt. Allen Ginsburg, der eine Hymne auf seinen Schließmuskel verliest, oder der jüngst an Aids verstorbene Maler Keith Haring, der seine pictogramm-ähnlich typisierten Männchen auf T-Shirts in Serie für Safersex-Kampagnen antanzen läßt, gehören dabei zu den gemäßigteren Fürsprechern der Aufklärung; aber auch vor schrilleren Auftritten ist von Praunheim nicht zurückgescheut. Die Performance ei-nes Happening-Künstlers, der sich selbst als „Arschloch“ zu Lebzeiten anklagt, das auch „als Arschloch sterben sollte“ und sich - unkommentiert von der Kamera, die sein Spiel realistisch (auf)nimmt - in den After schießt, gibt Aufschluß über ein Aus-wahlverfahren, das die exzentrische Szene so wenig ausspart wie die kritischen Töne zu Praunheims eigenem, künst-lerischen Vorgehen.
Wesentlich für Schweigen = Tod sind denn auch die Debatten über die Vor- und Nachteile des sich „öffentlich Machens“, des „coming out“ nicht nur als Homosexu-eller, sonder überdies auch als Positiver, die Rosa von Praunheim mit Kontrahenten wie Gleichgesinnten führt. Trotz aller berechtigter Furcht um die Würde und Würze ihres Privatlebens scheint seinen amerikanischen Gesprächspartnern das Engagement in der Aids-Bewegung dabei wichtiger als ein möglicher Gesichtsverlust: Schweigen, das bezeugen sie mit überwältigender Ehrlich-keit, bedeutet nicht nur den physischen, sondern auch sozialen Tod.“

Feuer unterm Arsch

„Von Safer Sex, geschweige denn von Safer Sex „mit Mutter Erde“, den Allen Ginsburg für den Umgang mit einer aidsähnlich verseuchten Erde visioniert, sind die deutschen Homosexuellen, denen sich der dritte Film Feuer unterm Arsch widmet, sichtlich weniger angetan.
In Berlin, „ der Schwulen-Hauptstadt Deutschlands“, trifft der Filme-macher bei seinen Recherchen „auf eine Partystim-mung“. „Es gibt niemand, der Safer Sex gut findet“, sagen die einen und plädieren dennoch für Vernunft, „man muß auch die Freiheit haben, sich zu Tode vögeln“, ist die extreme Antwort der Jungen, die ihre mühsam erworbene Identität als Schwule durch freiwillige Einschränkungen nicht auf eine „Aidsidentität“ reduziert wissen wollen. Auch in Deutschland hat Praunheim politisch Aktive aufgespürt, die aber seiner Be-obachtung zufolge nach dem Kassandra-Prinzip mit der unangenehmen Wahrheit identifiziert und gemieden werden.
„Der Selbsthaß der Schwulen“, so das bittere Resüme des selbst homosexuellen Regi-sseurs, „überwiegt in Deutschland“. Gestor-ben wird heimlich. Da Schwule das Alter fürchten, macht die Krankheit plötzlich Sinn. „Warum die Augen aufreißen, wenn man in einer teuren Intensivstation billig erblinden kann.“ Ob sich hinter diesen Vor-würfen tatsächlich die „schwule Oberstu-dienrätin“ verbirgt, wie Kritiker aus der Sze-ne in Rosa von Praunheims Seele entdeckt haben wollen, ist für Unbeteiligte nicht nachzuvollziehen, darüber sollen die Homosexuellen gefälligst selbst streiten.
Daß Rosa von Praunheim, der sich sicherlich nicht der Lustfreindlichkeit verdächtig macht, an einer selbstverantwortlichen Sexualität festhält, gereicht ihm allemal zu Ehre.
Seine Aids-Trilogie hat allerdings mehr zu bieten, als die Moral, die der Virus nicht kennt. Mit ihren unzähligen Zeitzeugen, dem fremden und befremdenden Material eingespielter New Yorker Experimentalfil-me und Happenings und ungeschönten Heftigkeit ihrer Aussagen, die den Diskurs über Aids wieder anfeuern wird, ist sie vor allem das waghalsige Dokument einer immer noch kaum bekannten (Sub)Kultur.“

dpa Meldung 15.1.1994

850.000 Aids Fälle
Die Zahl der Aids-Fälle weltweit nimmt ständig zu. Der Weltgesund-heitsorganisation (WHO) sind bis zum Jahreswechsel 851.620 Fälle Aids gemeldet worden, fast 240.000 Erkrankungen mehr als 1992. Infi-ziert mit dem Aids-Virus sind nach Anga-ben der WHO in Genf vom Freitag schätzungsweise 15 Millionen Menschen, davon eine Million Kinder. Rund neun Millionen leben davon in Afrika, südlich der Sahara. Deutschland meldete 10.446 Fälle (1992: 8.893).