Deutschland/Lettland, 2005,
90 Min., schwarz-weiß, 35mm,
Format: 1:1,37, FSK: ab 6
OmU: lettisch/russisch mit deutschen Untertiteln

Inhalt



Matiss Zelcs, Angestellter des lettischen Landesarchivs in Riga, begegnet eines Nachts auf einer Brücke einer jungen Frau. Als er ihren selbstmörderischen Sprung in die Tiefe nicht verhindert, verändert das Gefühl von Versagen und Schuld sein Leben. Getrieben von Reue begibt er sich auf eine tage- und nächtelange Suche nach den Spuren ihrer Biographie. Diese Reise durch die Unruhe seines Gewissens führt ihn tiefer in seine eigene Einsamkeit und den Abgrund seiner Seele, wobei er sich immer mehr in das Schicksal der Frau und das Leben derer, die mit ihr verbunden waren, verstrickt. Er wird konfrontiert mit der Grausamkeit der Liebe und der Begierde, der Schuld und der Jagd nach Vergebung, Befreiung und Erlösung.




Besetzung

Egons Dombrovskis
Nikolaj Korobov
Vigo Roga
Aija Dzerve
Gundars Silakaktins
Andris Keiss
Rihards Gailiss
Matiss Zelcs
Alexej Mesetzkis
Kommissar
Alina
Bar-Mann
Alinas Ehemann
Alinas Sohn

Stab

Regie
Drehbuch
Bildgestaltung
Kameraführung
Kamera Assistenz
Regieassistenz
Steady Cam
Fred Kelemen
Fred Kelemen
Fred Kelemen
Baiba Lagzdina
Aleksandrs Cerkasins
Inese Klava
Kaspars Brakis, Valdis Celmins
Beleuchter
Ton
Tonmischung
Kostüme
Maske
Schnitt
Produktionsassistentin
Produktionsfahrer
Produktionsleiter
Ausführende Produzentin
Produzent
Aleksandrs Cerkasins, Gederts Silins, Dainis Silins
Russlans Gailitis, Ilvars Vegis
Jörg Höhne
Lasma Lagzdina, Ilvars Elceris
Ineta Medne, Dita Hvoinska
Fred Kelemen, Franka Pohl, Klaus Charbonnier
Silvija Cibulska, Anitra Velde
Igors Gavrilovs, Vladimirs Timofejevs, Jurijs Dics, Armands Prusis
Kristians Luhaers
Laima Freimane
Fred Kelemen
Produktion KINO KOMBAT Filmmanufactur (Deutschland),
Screen Vision (Lettland)
Drehort Riga



Anlässlich der Uraufführung
auf dem INTERNATIONALEN FORUM DES JUNGEN FILMS, Berlinale 2005,
schrieb Thomas Rothschild in der Stuttgarter Zeitung:

Tod durch (Nicht-)Einmischung


Es ist Nacht. Ein Mann steigt eine Treppe hoch zu einer Brücke. Er sieht eine Frau am
Brückengeländer, geht vorbei. Er hört, wie die Frau ins Wasser springt und um Hilfe schreit. Danach ist sie verschwunden. In einer Bar nahe der Brücke findet der Mann die Handtasche der Frau und drei Briefe an einen Geliebten, den sie von jeder Schuld freispricht. Der Mann findet den Geliebten, macht ihm, halb betrunken, Vorwürfe und fordert ihn zur Reue auf. Der Geliebte geht in die Toilette und erschie§t sich. Kurz darauf trifft der Mann zufällig die Frau, die er tot wähnte. Er entschuldigt sich bei ihr. Sie geht, ohne ein Wort, daheim erwartet von ihrem Mann und ihrem Kind, die sie wegen des Geliebten verlassen hatte. So hintergründig und vielschichtig diese Geschichte ist, so ironisch oder auch fatalistisch ihre Botschaft scheint, wonach alles falsch ist - Heraushalten ebenso wie Einmischung -, so einfach ist sie strukturiert. Was aber den Film GLUT zu einem Höhepunkt des Internationalen Forums des jungen Films in diesem Jahr macht, sind die Bildsprache und der Rhythmus. Wie schon in seinen früheren Filmen arbeitet Fred Kelemen mit extrem langen Einstellungen. Schwarzwei§ ist hier nicht mehr, wie vor der Erfindung des Farbfilms, ein Mangel, sondern, im Gegenteil, gegenüber der Beliebigkeit von Buntfilmen eine ästhetische Entscheidung für die Ausdruckskraft von Grauwerten. Anstelle eines penetranten Musikteppichs erzeugen hier Endlosschleifen von Geräuschen - Vogelgeschrei, Kinderlärm, Hundegebell, ein vorbeifahrender Zug - jeweils über eine Sequenz hinweg intensive Stimmungen. ... Auch Kelemen, der seinen neuen Film in Riga gedreht hat, setzt seit je auf das Prinzip Langsamkeit und befindet sich damit in einer zwar ehrwürdigen cineastischen Tradition, die von Bresson und Fassbinder bis zu Tarkowski und Sokurov reicht, aber auch in Opposition zum herrschenden Trend der sinnlosen Beschleunigung. Seine Bilder laden zur kontemplativen Betrachtung ein und gewinnen gerade dadurch eine philosophisch-literarische Qualität. GLUT erinnert, sei es vom Autor gewollt, sei es durch Koinzidenz, an die Romane von Dostojewski und an Puschkins ãEugen OneginÒ. Die russische Sprache spielt auch unmittelbar eine Rolle: Dem Geliebten schreibt die lettische Frau auf Russisch, mit ihm spricht die lettische Hauptfigur Russisch - ein Effekt freilich, der durch die Untertitelung nicht vermittelt werden kann und bei einer Synchronisation ganz verloren ginge. Und wenn man sich bei uns über den Publikumserfolg deutscher Produktionen freut, welche die pessimistischen Prognosen der neunziger Jahre zu widerlegen scheinen, dann sollte man neben den Knüllern die sperrigeren Filme nicht übersehen, auch wenn sie eher bedrücken als erheitern. Wir amüsieren uns zwar nicht zu Tode. Und wir müssen nicht unbedingt zwischen Klamauk und Tiefsinn wählen. Aber etwas mehr als die Wochenendshows im Fernsehen darf das Kino dem Zuschauer schon abverlangen. Kelemen tut das. †brigens: mit weniger Geld dürfte schon lange kein deutscher Film mehr produziert worden sein. Wenn sonst nichts, dann müsste doch dies überzeugen.