SYNOPSIS
Der Film „Die Rollbahn“ erzählt die Geschichte der Frauen des KZ-Außenlagers Walldorf, die 1944 als Zwangsarbeiterinnen der Baufirma Züblin die Fundamente für die erste Betonpiste des Frankfurter Flughafens legten. Zusammen mit der Leiterin des Heimatmuseums von Mörfelden-Walldorf und einer Schulklasse verfolgt der Film die Spuren der Überlebenden bis nach Israel, Schweden, Ungarn und in die USA. Zugleich erzählt der Film die Nachkriegsgeschichte der Bürger Mörfelden-Walldorfs. Zeitzeugen treten auf, darunter Mitwisser und Wegschauer, aber auch Menschen, die sich für einen ehrlichen Umgang mit den damaligen Geschehnissen einsetzen. Ihre Forderung: Walldorfer, Flughafenbetreiber und Baufirma sollen sich ihrer Geschichte und ihrer Verantwortung stellen.
Im Sommer 1944 kommen 1.700 junge ungarische Frauen, alle Jüdinnen, in Viehwaggons am Frankfurter Flughafen an. Die Baufirma Züblin zahlt der SS dafür vier Reichsmark pro Tag und Frau. Die Frauen kommen direkt aus dem Konzentrationslager Auschwitz. Ein Barackenlager unweit der kleinen Gemeinde Walldorf wird ihre neue Behausung. Der Flughafen liegt in unmittelbarer Nachbarschaft. Von dort sind bislang Zeppeline und Propellerflugzeuge auf Grasnarben gestartet. Doch dieser Untergrund ist für Hitlers neue „Wunderwaffe“, das Düsenflugzeug Me 262, das den Deutschen doch noch zum Endsieg verhelfen soll, nicht zu gebrauchen. Den Frauen wird befohlen, Fundamente für eine Betonpiste zu legen. Vera, die jüngste, ist 13 Jahre alt. Ihre Mutter hatte sie an der Rampe in Auschwitz für älter ausgegeben und damit im letzten Moment erreicht, dass sie nicht ins Gas sondern mit ihr gemeinsam zum Arbeitseinsatz geschickt wird. Die anderen Frauen sind 16, 18, 28, ... . So beginnt der Bau der ersten betonnierten Rollbahn des modernen Flughafens Frankfurt Main.
Im Winter 1944 beginnt es früh zu schneien. Die Frauen arbeiten noch immer an der Rollbahn; manche tragen lediglich ein Sommerkleid. Sie sind am Ende ihrer Kräfte. Die Baustelle steht unter Dauerbombardement der Alliierten; die Front rückt immer näher. Die Baufirma Züblin muss das Bauvorhaben schließlich abbrechen, die SS lässt das Lager im Wald räumen. Die Frauen verschwinden in das Vernichtungslager Ravensbrück. Die Amerikaner werden die Rollbahn später fertigbauen.
Nach dem Krieg herrscht Mangel in Mörfelden-Walldorf. Im nahegelegenen Wald sammeln die Dorfbewohner die Steine und das Holz der KZ-Baracken zusammen, um damit ihre Häuser und Hühnerställe auszubauen. Über die Fundamente des Lagers lässt man das Unterholz wachsen. 30 Jahre lang wird niemand über das Lager und die Frauen sprechen. Bis Anfang 1975 drei junge Männer aus dem Ort während eines Besuchs im KZ Buchenwald zufällig den Namen ihres Dorfes auf einer Übersichtskarte aller NS-Lager verzeichnet finden. Zu Hause treffen sie mit ihren Fragen auf eine Mauer des Schweigens und der Abwehr. Unbeirrt gehen sie dennoch den Spuren nach, recherchieren auf eigene Kosten in Ungarn und Israel. Da die drei der Kommunistischen Partei angehören, werden die Ergebnisse ihrer Nachforschungen lange als „DDR-Propaganda“ abgetan. Erst als sie sich Luftaufnahmen der Amerikaner vom Flughafen 1945 besorgen und dann Mauer-Fundamente im Wald finden, kann die Existenz des Lagers nicht länger geleugnet werden. Anfang der Achtziger Jahre wird eine junge Frau aus der Startbahn-West Bewegung neue Stadthistorikerin von Mörfelden-Walldorf und Leiterin des Heimatmuseums. Sie treibt die Freilegung der Lagerreste voran, sucht erfolgreich nach Überlebenden, gewinnt durch unermüdliches Engagement die Unterstützung des Bürgermeisters, der Lehrer und vor allem der Abiturklasse der Gesamtschule des Ortes. Eine Klassenfahrt führt die jungen Leute in die Stadt Pápa westlich von Budapest. Pápa war vor dem Krieg ein Zentrum des ungarischen Judentums; viele der nach Mörfelden verschleppten Frauen sind hier aufgewachsen. In Pápa treffen sie Ibolya Jakab, eine Überlebende. Die alte Dame empfängt die Mädchen mit einer Freundlichkeit und Wärme, auf die sie nicht vorbereitet sind. In der heruntergekommenen Synagoge des Ortes beschließen die Schülerinnen, der Baufirma Züblin einen Brief zu schreiben. Ihr Vorschlag: als Zeichen des Bedauerns und des guten Willens soll die heute groß und reich gewordene Baufirma die Synagoge von Pápa wieder aufbauen. Die Schulklasse wird nicht einmal eine Antwort erhalten. Von den 1.700 jungen Frauen des KZ-Außenlagers Walldorf haben nur 200 das Kriegsende überlebt. 19 von ihnen haben die Walldorfer überzeugen können, noch einmal an den Ort ihres furchtbaren Arbeitseinsatzes zurückzukehren. Im November 2000 treffen die ehemaligen Internierten in Frankfurt ein. Sie landen auf der Rollbahn, die sie 56 Jahre zuvor zu bauen gezwungen waren.
Die jahrzehntelang von einander getrennten Welten, die der Frauen und die der Gemeinden Mörfelden-Walldorf und Frankfurt am Main, begegnen sich schließlich und der Bürgermeister der Flughafengemeinde wird sagen : „ Eine Frau aus Schweden hat mich umarmt und geweint; aber sie sagte, dass es Tränen der Freude seien.“