Milch und Honig aus Rotfront
Ein Dokumentarfilm von Hans-Erich Viet

Hans-Erich Viet zu seinem Film:
„Die Idee zu dem Film entstand im Mai 1995 auf einer Reise mit mehreren deutschen Filmemachern durch die zentralasiatischen Republiken Kirgisien und Kasachstan. Acht Flugstunden von Deutschland entfernt lernten wir eine ganz andere deutsche Kultur der dort lebenden deutschen Minderheiten kennen. Mitten in der asiatischen Steppe, an den Ausläufern des Himalayas, leben Menschen, die sich wie selbstverständlich auf deutsch unterhalten. Ihr Dorf heißt „Rotfront“, ein Erbe Stalins. Sowohl in kirgisischer als auch in russischer Sprache ist die Aussprache dieses Namens deutsch. Die Hälfte der Dorfbewohner sind Nachkommen der vor mehr als 300 Jahren aus Friesland stammenden, strenggläubigen Gemeinschaft der Mennoniten. Diese deutsche Minderheit spricht ein altertümliches Deutsch, das den Eindruck erweckt, nicht nur Tausende von Kilometern zurückgelegt, sondern eine Zeitreise an den Anfang des 20. Jahrhunderts unternommen zu haben. Der Eindruck wird durch die alltäglichen Verrichtungen der Menschen verstärkt: Es entsteht das Bild eine ganz anderen deutschen Kultur, die sich zusammensetzt aus der Bewahrung von Überliefertem und der Anpassung an die neue Heimat.
Eine junge Familie lud uns zum Tee ein: die Eltern Anfang dreißig, zwei Kinder von drei und fünf Jahren. „Deutsche Gemütlichkeit“ empfing uns, und die Leberwurst war selbstgemacht und erinnerte an die eigene Kindheit. Beim Gespräch erfuhren wir, daß Frau Keller eine Zwillingsschwester hat, die auch in Rotfront aufgewachsen ist. Sie zog vor einigen Jahren nach Deutschland und lebt heute in einem kleinen Dorf in der Nähe von Detmold. So entstand die ursprüngliche Idee des Films, die unterschiedlichen Kulturen zu beleuchten, in denen die Tausende von Kilometer voneinander entfernten Zwillingsschwestern leben.
Bis jedoch die Finanzierung des Films endgültig feststand, war Frau Keller und ihre Familie ebenfalls nach Detmold gezogen und das Konzept der sich in Sehnsucht verzehrenden Antipoden zunichte gemacht. So fokussiert der Film nun u. a. das Porträt von zwei Brüdern: den in Rotfront lebenden Onkel der beiden Zwillinge sowie ihren Vater, welcher auch nach Deutschland gekommen ist. Erzählt wird die Geschichte von mehreren deutschstämmigen Dorfbewohnern und ihre Motivation, in Kirgisien zu bleiben und sich dort, auch nach der politischen Öffnung, eine Existenz aufzubauen. Ganz deutlich wird der Zusammenhalt dieser Menschen, deren mennonitischen Vorfahren sich bereits vor 300 Jahren fern der Heimat eine neue Existenz aufbauen mussten und auf gegenseitige Hilfe angewiesen waren. Heimat ist letztlich da, wo das eigene Haus steht und die Familie lebt. Umso schmerzhafter empfinden die Menschen die Trennungen, die quer durch die Familien gehen.
So ist die Glaubensgemeinschaft der Mennoniten durch ein starkes Gefühl der Verbundenheit gekennzeichnet, das mittlerweile auch auf andere Bewohner Kirgisiens seinen Reiz ausübt.
Zwischen Himalaya und Weserbergland will „Milch und Honig aus Rotfront“ filmische Antworten über Ferne und Heimat, Sehnsucht und ihre Beschränkung geben, die über das Thema „Aussiedler“ weit hinausgehen.“


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