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  • Deutschland/Bulgarien 2000, 35mm, Farbe, 92 Min.
    FSK: ab 6 Jahre

    BESETZUNG

    Newena
    Jan
    Kojak
    Fiete
    Marko Rakic
    Birgit
    Hannes
    Victoria Borislavova Borisova
    Florian Jaeger
    Dieter Pfaff
    Peter Franke
    Igor Galo
    Heike Falkenberg
    Max Herbrechter

    STAB

    Regie
    Buch
    Kamera
    Bakarski
    Musik
    Bildschnitt
    Schnittstudio
    Geräusche
    Synchronisation
    Ton
    Tonschnitt
    Vertonung
    Mischung
    Ausstattung
    Bulgarien
    Hamburg
    Kostüme
    Kostümassistenz
    Garderobe
    Maske
    Requisite
    Aufnahmeleitung
    Oberbeleuchter
    Beleuchter
    Regieassistenz
    Continuity
    Casting Agentur
    Kameraassistent
    2. Kamera und
    -Equipment
    Grip Dolly
    Negativentwicklung
    Kinderbetreuung
    Geschäftsführung
    Sekretariat
    Produktionsleitung
    Prod.ltg., Bulgarien
    Prod.ltg., Genua
    Redakteur NDR
    Produzent













    Nenad Djapic
    Nenad Djapic und Marc Eric Wessel
    Anton Ranguelov
    Ingo L. Frenzel
    Krasimira Velickova
    MAT – Prag
    Peter Klinkenberg
    Berliner Synchron
    Wenzel Lüdecke
    Eckehard Dux
    Svana Kablau
    Manfred Herold
    Stefan Rüdel, Geyer Werke Berlin

    Svetlana Bone
    Dawn Carman-Staub
    Susanne Braun

    Britta Krähe,Sonya Kalcheva
    Ilieva Popova, Camilla Friedrich, Kathi Zimmermann
    Martin Jubisch, Maren Eich
    Thomas Ruschke, Thomas Krätzig
    Strahil Predov
    Jörg William, Knut Böckmann
    Eva Maria Bahlrühs, Vanja Valtrovic
    Katharina Skowron
    „Gesichter“
    Georgi Raikov, Sebastian Eichhoff
    Andreas Pechmann / Zebra Film

    Stefan Ruben
    Optical Art
    Bernd Schindler
    Sergej-N. Bashir
    Angelika Diamanti
    Michael Beier
    Vladimir Andreev, Georgi Balkanski, Roussi Lutzkanov
    Karl Markgraf
    Wolfgang Buresch
    Ottokar Runze



    Eine Koproduktion von Ottokar Runze
    mit BR, NDR, ORB, SW

    Drehbuchförderung durch European Script Fund 1996
    Gefördert durch Filmförderung Hamburg,
    Filmboard Berlin-Brandenburg und dem Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, BKM

    Unter der Schirmherrschaft von Unicef

    BIOGRAFIE

    Nenad Djapic
    wurde 1948 in Jugoslawien geboren und lebt seit 1972 in Deutschland. Bis 1972 studierte er in Prag Filmwissenschaft und anschließend Kunstwissenschaft in Berlin. Seit dieser Zeit arbeitet er als Berater, Dramaturg, Autor und Regisseur für Kino, Fernsehen und Theater und ist daneben auch als Maler tätig.








    INTERVIEW

    INTERVIEW MIT Newena
    (Victoria Borislavova Borisova)

    Wie bist Du zu dem Film NEWENAS WEITE REISE gekommen? Hast Du schon in anderen Filmen mitgespielt?
    Ich bin fast zufällig zu NEWENAS WEITE REISE gekommen. Zwei bulgarische Filmassistentinnen haben mich anhand einer Fotografie ausgesucht, die bei einer Filmproduktion lag. Ich habe früher bei einer Kindergesangsgruppe mitgewirkt, und sie hatten deswegen dort meine Fotos. So hat man mich mit etwa 100 Mädchen zu einem ersten Gespräch einge-laden, bei dem man etwa 35 von uns ausgesucht hat. Erst dann habe ich den Regisseur Nenad Djapic getroffen. So ist NEWENAS WEITE REISE mein erster Film und Newena meine erste Rolle.

    Wie fandest Du die Dreharbeiten?
    Die Dreharbeiten waren nicht einfach. Das Mädchen, das ich spiele, erlebt in der Geschichte Sachen, die mir volkommen unbekannt waren. Ich habe zwar vieles über die Kriege in der Welt und die Flüchtlinge im Fernsehen gesehen oder in den Zeitungen gelesen, aber das alles war sehr fern von meinem Leben. So muß ich sagen, daß ich am Anfang
    nicht richtig verstanden habe, warum Newena so handelt, wie sie handelt. Dann habe ich begriffen, daß sie eine schlimme Vergangenheit und eine unsichere Zukunft hat. Sie muß viele Hindernisse überwinden, um die Sehnsucht, ihren Bruder zu sehen, zu erfüllen.
    Ich mußte ein Mädchen von 12 Jahren spielen, aber durch das, was sie erlebt hat, wesentlich anders war, als ich selbst, vielleicht auch wesentlich erwachsener. Das war ziemlich schwer, aber auch spannend.

    Wie hast Du Dich mit den anderen Darstellern und dem Team verstanden? Hast Du Dich mit Florian (Jan) auch außerhalb des Films gut verstanden?
    Alle Schauspieler waren Deutsche, nur ich war Bulgarin. Es gab natürlich viele Probleme mit der Verständigung. Aber mit der Zeit ging das auch mit Herrn Pfaff, Herrn Franke, Frau Falkenberg und Herrn Galo ohne Probleme. Bei dem Dreh hat mir eine bulgarische Regieassistentin geholfen. Zum Glück arbeiteten viele Bulgaren in der Crew, die auch gut Englisch oder Deutsch sprachen. Mit meinem Schulenglisch konnte ich mich gut mit ihnen verständigen. Und wenn es Schwierigkeiten gab, fand man schnell jemanden, der übersetzen konnte. So freundeten wir uns ziemlich schnell an. Mit Florian gab es überhaupt keine Probleme. Er ist etwas älter als ich und ein ganz toller Typ. Obwohl er in Berlin wohnt und ich in Sofia, Bulgarien, lebe, telefonieren wir ab und zu und sind ständig in Briefkontakt.

    Was wußtest Du vor den Filmarbeiten von Kriegsflüchtlingen wie Newena? Hast Du über den Film etwas Neues darüber erfahren?
    Ich habe schon einiges über die Kriege in der Welt erfahren. Mit meinen Eltern habe ich auch darüber geredet, aber erst bei der Arbeit an dem Film begriff ich, was wirklich unmenschlich an einem Krieg ist, und wie schlimm die Nachwirkungen bei den Opfern, besonders bei den Kindern, sein können.

    Wie hast Du Dich auf Deine Rolle vorbereitet?
    Für mich war die Vorbereitung auf die Rolle nicht einfach. Ich stand das erste Mal vor der Kamera, und vor dem ersten Drehtag ahnte ich nicht, was mich wirklich erwartet. Nenad Djapic und andere seiner Mitarbeiter sowie die Schauspieler halfen mir sehr. Nenad hat mir immer gut erklärt, was er von mir erwartet und wie ich spielen soll. Auch die gute Atmosphäre auf dem Drehplatz war sehr hilfreich.

    Was hast Du für die Figur Newena gefühlt? Hast Du sie verstanden?
    Klingt vielleicht doof, aber Newena war für mich ein Abenteuer. Denn das Mädchen ist ganz anders, als ich es bin. Sie hat auch ganz andere Sachen erlebt. Ich hoffe, ich habe es geschafft, etwas von dem, was Newena fühlt, zu spielen. Ich hoffe, die Zuschauer werden das merken.

    Was hat Dir am meisten Spaß gemacht?
    Wir haben auf einem großen Schiff viele Tage gedreht ... Das ist eben alles spannend, und einfach zuzuschauen, wie so ein Schiff funktioniert, ist schon toll. Flo - also Florian, der auf einem See in Berlin seinen Segelschein gemacht hat, hat mir da auch einiges über Schiffe und das Meer beigebracht. Als wir in Hamburg gedreht haben, war das für mich auch besonders interessant, denn bis dahin war ich noch nie in Deutschland.
    (Das Interview führten und übersetzten Nenad Djapic und Krasimira Velickova.)
    INTERVIEW MIT Jan
    (Florian Jaeger)

    Wie bist Du zu dem Film NEWENAS WEITE REISE gekommen? Hast Du schon in anderen Filmen mitgespielt?
    Ursprünglich brachten mich Freunde zu meiner jetzigen Castingagentur „Gesichter“, über die ich dann auch zum Casting von NEWENAS WEITE REISE gekommen bin. Ich bekam als erstes eine kleine Rolle in dem ZDF-Krimi „Der letzte Zeuge“. Sonst war Jan meine erste größere Rolle.

    Wie fandest Du die Dreharbeiten?
    Die Dreharbeiten waren toll. Das war natürlich für mich unheimlich aufregend. Schon allein, daß wir nicht in Deutschland, sondern in Bulgarien und Italien gedreht haben und dann auch noch auf einem so alten, großen Schiff mit so vielen Leuten, die zum Großteil nur bulgarisch und englisch sprachen, andere Gewohnheiten hatten, schon allein, dass wir nur Bulgarisch gegessen haben, das war schon alles sehr spannend. Das waren natürlich auch Dinge, die das Ganze nicht nur spannend, sondern auch anstrengend machten. So war es zum Beispiel unter Deck immer unheimlich heiß, stickig und meistens auch nicht besonders hell. Auf Deck lief das ganze Team in Badehose herum, weil es so heiß war, nur ich durfte natürlich nicht braun werden. Aber das sind alles Dinge, über die man zu dem Zeitpunkt nicht wirklich nachdenkt, weil man sich auf andere Sachen konzentriert, wie das Drehen selbst, was sehr viel Spaß macht.
    Wie hast Du Dich mit den anderen Darstellern und dem Team verstanden? Hast Du Dich mit Victoria (Newena) auch außerhalb des Films gut verstanden?
    Grundsätzlich war am Set immer gute Stimmung, und mit den andern Schauspielern hab ich mich auch sehr gut verstanden. Man hat ja zwischendurch ziemlich lange Pausen, in denen man zusammen sitzt und sich stundenlang unterhält. Und mit Victoria war das sowieso kein Problem. Da sie außer mir das einzige Kind in der Crew war, lernten wir uns schnell kennen und dann stört es auch nicht besonders, daß wir nicht dieselbe Sprache sprechen.

    Was wußtest Du vor den Filmarbeiten von Kriegsflüchtlingen wie Newena? Hast Du über den Film etwas Neues darüber erfahren?
    Ich sehe seit ich sechs bin mit meinen Eltern Nachrichten, da habe ich öfter Bilder von Kämpfen auf dem Balkan gesehen. Mit den Opfern von diesem Krieg hab ich mich erst seit dem Film beschäftigt, weil auch Nenad, mein Regisseur, viel mit mir darüber gesprochen hat.

    Wie hast Du Dich auf Deine Rolle vorbereitet?
    Wir hatten sehr wenig Vorbereitungszeit. Das lief alles ziemlich kurzfristig. Wie ich schon gesagt habe, hat Nenad sehr viel mit mir über das allgemeine Thema gesprochen und was Jan über dieses Thema weiß und denkt. Teilweise haben wir auch erst kurz vor der Szene darüber gesprochen, wie Jan die Situation sieht. Das kann gar nicht alles im Drehbuch stehen.

    Was hast Du für die Figur Jan gefühlt?
    Ich habe einfach das gefühlt, was er in diesem Moment, in dieser Szene gelebt hat.

    Was hat Dir am meisten Spaß gemacht?
    Das viele Reisen hat mir besonders viel Spaß gemacht.

    TEXTE ZUM FILM

    Die Idee zum Film

    Als ich klein war, redeten die Erwachsenen viel über den Krieg, denn ich wurde drei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg geboren. Wir Jungs hörten gebannt zu und warteten auf die Schilderungen der Schlachten und der Heldentaten. Aber meine Eltern, die Nachbarn, die Verwandten und Bekannten redeten von ganz anderen Dingen: Sie erzählten wie leidvoll das Sterben war. Sie erzählten, wie schwer die Menschen im Krieg verwundet wurden. Sie erzählten, wie viele Menschen flüchten mussten. Sie erzählten, wie auf dieser Flucht im Winter die Kinder erfroren sind. Und sie erzählten, wie die Menschen im Krieg, die kein Essen hatten, auch Baumrinde und das Gras gegessen haben.
    Daran erinnere ich mich. Und es wären auch nur Erinnerungen geblieben, wenn nicht in meiner ehemaligen Heimat ein Krieg ausgebrochen wäre. Die Bilder, die im Fernsehen zu sehen waren, das waren Bilder von brennenden Dörfern, zerstörten Brücken und Städten, die ich gut kannte. Der Krieg - den ich mir im Fernsehen ansah - war ein Krieg in der Gegend, in der ich früher zu Hause war. Ich erinnerte mich, wie ich früher über die alte Brücke in Mostar gefahren bin, um auf der anderen Seite in einer orientalischen Konditorei einzukaufen. Plötzlich sah ich im Fernsehen, wie diese Brücke zerstört wurde. (Inzwischen hat man die Brücke mit Hilfe der Europäischen Union wieder aufgebaut.)
    In dem Krieg wurden auch Sarajevo und Herzegowina, sehr schwer zerstört, viele Menschen wurden dort getötet und sehr viele mussten fliehen.
    In Deutschland fragten meine Freunde, warum dieser Krieg ausgebrochen ist. Ich wusste keine Antwort. Da habe ich zum ersten Mal darüber nachgedacht, einen Kinderkinofilm über den Krieg zu machen. Darin sollten auch die Geschichten aus dem Krieg vorkommen, die ich aus meiner Kindheit kannte. Gleichzeitig wollte ich eine Geschichte über Freundschaft machen. Zu dieser Zeit las ich in der Zeitung einen Bericht über einige Kinder aus einem durch Krieg zerstörten Land. Sie hatten versucht, als blinde Passagiere nach Europa zu gelangen, weil dort Verwandte von ihnen in Krankenhäusern lagen. So kam ich auf die Idee für die Geschichte von NEWENAS WEITE REISE.


    Wie aus einer Idee ein Film wird

    Zuerst ist da ein Autor (oft ist das der spätere Regisseur), der eine Idee für eine Kindergeschichte hat. Anhand der Geschichte schreibt der Autor ein Drehbuch, alleine oder mit anderen, in meinem Fall habe ich das Drehbuch, mit Marc Eric Wessel, einem etwas jüngeren Kollegen, geschrieben. Wenn man eine Geschichte oder ein Drehbuch hat, sucht man einen Filmproduzenten aus. Mein Produzent war Ottokar Runze, der auch als Regisseur einige Kinderfilme gemacht und produziert hat. Der Produzent, der den Film machen möchte, meldet sich dann bei Fernsehanstalten, Filmförderungen, Filmfonds und Banken und zusammen mit allen diesen erstellt er einen Finanzierungsplan. Das ist ein Plan, in dem drinsteht, wie viel Geld man für den Film braucht und wer das Geld geben soll. Wenn das geklärt ist, dann engagiert der Produzent einen Herstellungsleiter, der für die Herstellung des Films zuständig ist und einen Produktionsleiter, der für Planung und Organisation der Arbeit zuständig ist. Und es wird ein Aufnahmeleiter angestellt, der für die technischen Bereiche der Aufnahme zuständig ist. Außerdem gibt es noch ganz viele andere Menschen, so hatten wir zum Beispiel eine Kostüm- und Maskenbildnerin, einen Innen- und einen Außenrequisiteur und viele Assistenten. Die sind alle für unterschiedliche Dinge im Film zuständig. Das ganze nennt sich „Stab“. Wie wichtig alle diese Leute für einen Film sind, kann man nicht genau beschreiben, aber sie sind sehr, sehr wichtig.
    Parallel sucht der Regisseur mit hierfür spezialisierten Firmen (Casting) Hauptdarsteller, das sind die Schauspieler, die ganz oft im Film zu sehen sind, und Nebendarsteller, das sind Schauspieler, die kleinere Rollen im Film haben. Außerdem gibt es Komparsen, das sind Menschen, die zwar im Film zu sehen sind, aber nichts sagen. Und für NEWENAS WEITE REISE brauchten wir noch Stuntleute, das sind Menschen, die gefährliche Situationen spielen und für einen Kinderfilm natürlich Kinder. Wie man geeignete Kinder findet, ist auch ganz leicht zu beschreiben. Man führt Gespräche mit Castingleuten, besucht Schultheatervorstellungen, schaut sich andere Kinderfilme an, trifft sich mit den Eltern. Stunden, Tage, Wochen, ja manchmal auch Monate vergehen, bevor man die Kinder findet, die für den Film passen. Gedreht wird dann meistens in den Schulferien. Und wenn alle diese Menschen beisammen sind, kann die eigentliche Arbeit, das Drehen, beginnen.


    Wie findet man die Drehorte?

    Ach ja, die Drehorte sind für einen Film besonders wichtig. Drehorte, das sind die Orte, an denen der Film gedreht wird. NEWENAS WEITE REISE spielt zum größten Teil auf einem Schiff draußen auf dem Meer zwischen Genua in Italien und Marseille in Frankreich. Auch in Hamburg ist gedreht worden. Ein Schiff zu finden, auf dem ein Film gedreht werden kann, ist schwer. Zu erst haben wir im Hamburger Hafen geschaut. Da gibt es sehr viele Schiffe. Aber alle Schiffe sind im Betrieb, das heißt sie fahren irgendwohin, transportieren Waren, Güter, Ladung und haben keine Zeit und keinen Platz für so viele Menschen, die einen Film machen wollen. Dann haben wir in Bulgarien geguckt. Im Hafen von Varna an der Schwarzmeerküste fanden wir dann nicht nur ein Schiff, sondern zwei Schiffe, die für unsere Zwecke ideal waren. Ja, wir haben unseren Film auf zwei verschiedenen Schiffe gedreht, obwohl das im Film niemand mehr erkennen kann. Alle Innenaufnahmen, also zum Beispiel die Kabinen und die Maschinenräume, haben wir auf einem alten Schiff gedreht, das nicht mehr fährt, sondern im Hafen fest verankert ist. Die Aufnahmen auf dem Deck und die Fahrt auf dem Meer, haben wir auf einem anderen Schiff gedreht.


    Der Film wird gedreht

    So. Wenn die Menschen und die Orte für den Film gefunden sind, kann man mit den Dreharbeiten anfangen. Wir alle, die Mitarbeiter aus Deutschland und Bulgarien, haben dann fast zwei Monate in Varna auf dem Schwarzen Meer verbracht. Es war Sommer, aber wir haben keinen Urlaub gemacht, sondern für den Film NEWENAS WEITE REISE gearbeitet. Es war sehr heiß, besonders als wir unter Deck gedreht haben. Verschwitzt taumelten wir durch Laderäume, Maschinenräume und die Gänge im Unterdeck und sehnten uns nach Pause oder Drehschluss. Die Dreharbeiten sind wie eine Reise in ein fremdes Land, denn man weiß noch nicht, wie all diese Menschen zusammen passen und wie der Film später aussehen wird. Erstmal hat jeder seine Aufgabe, sein Arbeitsfeld, jeder weiß, was zu tun ist und wenn es klappt, entsteht etwas sehr Schönes. Vorher geht aber erstmal Vieles schief. Zum Beispiel ist das Wetter schlecht oder die Kamera fällt ins Wasser. Und dann hatten wir einmal ein Unwetter und viele sind seekrank geworden. Und das Flugzeug mit der Stuntcrew landete wegen Nebels auf einem anderen Flughafen. Jeder, der beim Film arbeitet, erzählt später viele solche Geschichten. Beim Drehen ist das aber gar nicht lustig, sondern es müssen schnell Lösungen gefunden werden, denn jeder Drehtag kostet viel Geld.
    Ein Film mit Kindern zu drehen, ist anders als mit erwachsenen Schauspielern. Die Erwachsenen „arbeiten“ an ihren Rollen - sie gestalten sie und „bauen“ sie, je nach Möglichkeiten und Talent. Bei Kindern ist das anders: Wenn sie begriffen haben, was von ihnen erwartet wird, versetzen sie sich in die Rolle und brauchen keine weiteren Anweisungen, Erklärungen, Analysen und Motivation. Man zeigt ihnen, was mit der Szene gemeint ist, und fertig. Weder Florian noch Viktoria brauchte ich viel zu erklären oder zu zeigen. Die Fragen, die damit zusammenhängen, wie sie sich vor der Kamera zu bewegen haben oder wohin sie schauen sollen, haben sie, glaube ich, schon am ersten Drehtag verstanden.
    Es gibt in dem Film eine Szene, in der Jan und Newena richtig miteinander kämpfen. Jan soll Newena mit dem Faust ins Gesicht schlagen, so dass sie aus der Nase blutet. Mit dem Blut, das ist kein Problem - dazu hat man immer eine Maskenbildnerin vor Ort, die eine Menge ketschupähnliche Flüssigkeit hat.
    Ich wusste nicht genau, wie ich das den Kindern beibringen sollte - sich richtig anzupacken, sich anzugreifen, sich zu schlagen, aber sich dabei nicht zu verletzen. So habe ich lange mit ihnen probiert, Schritte und Handbewegungen geübt, und dann hat alles gut geklappt. Als wir diese Szene und die anderen gedreht hatten, war für die meisten Menschen, die auf dem Boot waren, die Arbeit vorbei.


    Was mit dem Film passiert, wenn alle Szenen gedreht sind

    Wenn alle Szenen gedreht sind, müssen die Szenen in eine bestimmte Reihenfolge gebracht werden. Dafür ist die Cutterin da, man sagt sie „schneidet“ den Film. Der Regisseur und die Cutterin suchen die Szenen aus, das heißt Musterung. Die „geschnittenen“ Szenen sind aber noch nicht der fertige Film. Da muss man zuerst Musik einspielen, was für uns Ingo Frenzel in Berlin gemacht hat. Während Musik gemacht wird, lässt man einige oder alle Dialoge, also die Texte, die die Schauspieler im Film sprechen, in hierfür speziell eingerichteten Studios nachsprechen. Wir haben zum Beispiel alles, was auf dem Schiff gedreht wurde, nachgesprochen, also nachsynchronisieren müssen, weil in den Aufnahmen störende Schiffsmotorgeräusche zu hören waren.
    Nach der Synchronisation erstellt man auch neue Geräusche von Geräuschemachern. Meistens haben sie einen Koffer dabei, in dem sich Kaffeemühlen, Löffel, Glasscherben, Streichholzschachteln, Sand und Erbsen befinden. Mit Hilfe eines Mikrophons und verschiedenen Aufnahmeverfahren sind sie dann in der Lage, mit den Erbsen, Streichholzschachteln und ihren anderen „Instrumenten“ alles nachzumachen, was man im Film hören soll. In einem großen Saal, in dem sowohl das geschnittene Bild als auch alle Bänder mit Ton und Musik und Geräuschen (bei uns waren es 22) zu sehen und zu hören sind, mischt man dann alles zusammen. Erst nach der Mischung kann eine Filmkopie entstehen, die man dann im Kino zeigen kann.


    ZUM FILM

    Kriege, die leider noch immer täglich in der Welt stattfinden, sind etwas Furchtbares. So banal und einfach diese Aussage ist, so wahr ist sie auch. Jeder Krieg hat eine eigene Qualität, ein ihm eigenes Grauen.
    In allen Kriegen leiden vor allem die Kinder. Ihr Leben, ihre Familien und ihre Zukunft werden zerstört.
    Um eines dieser Kinder geht es auch in unserer Geschichte. Die 13jährige Newena hat im Krieg beide Eltern verloren und wurde von ihrem sieben Jahre jüngeren Bruder getrennt. Nach drei Jahren Aufenthalt in verschiedenen Heimen in ihrer inzwischen durch den Krieg zerstörten Heimat, erfährt Newena, daß sich ihr Bruder in Deutschland befindet. Sie macht sich auf den Weg, ihn zu suchen. Er ist ihre letzte Hoffnung auf ein Stück Heimat und Familie. Wir lernen Newena mit den Augen des 14jährigen deutschen Jungen Jan kennen und erfahren durch ihn allmählich das Ausmaß ihres Schicksals.
    Gemeinsam mit Jan und Newena erleben wir eine Geschichte, die auf zwei Ebenen wirkt: Vordergründig ist es eine Abenteuer- und Liebesgeschichte zwischen zwei an der Schwelle zur Pubertät stehenden Kindern. Unterschwellig geht es um das, was allen Menschen gemein ist, um das, was im Leben eigentlich wirklich zählt: Es geht um den Wunsch nach Liebe, Glück und Geborgenheit, um Freundschaft, Vetrauen und Wärme.
    Wenn Jan und Newena am Ende ihr Ziel erreichen, dann ist der Zuschauer daran erinnert, was in unserem kurzen Leben wesentlich ist und was nicht.
    Nenad Djapic


    KINDER IM KRIEG UND AUF DER FLUCHT
    Kinder werden in Kriegen auf vielfache Weise zu Opfern:
    Viele Kriegsparteien schrecken nicht davor zurück, Kinder gezielt anzugreifen.

    Im Krieg werden Krankenhäuser und Gesundheitsstationen oft gezielt zerstört. Krankheiten, die leicht heilbar oder vermeidbar wären, werden dann schnell zu einer tödlichen Gefahr. In Somalia zum Beispiel ging während des Bürgerkrieges die Hälfte der Todesfälle bei Kindern auf Masern zurück. Kriege führen in der Regel auch zu einer Verschlechterung der Nahrungsmittelversorgung, insbesondere für Flüchtlinge und Vertriebene. Gerade für Kinder hat Mangelernährung verheerende Folgen. Denn sie haben Krankheiten nichts entgegenzusetzen.
    Die Kämpfe führen zudem häufig dazu, daß die Versorgung mit sauberem Trinkwasser unterbrochen wird. Durch verseuchtes Wasser verursachte Durchfallerkrankungen sind immer noch eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern. In Afghanistan beispielsweise, wo seit fast 20 Jahren Bürgerkrieg herrscht, haben lediglich 23 Prozent der Bevölkerung Zugang zu sauberem Wasser.
    In Kriegsgebieten können Kinder meist monate- oder jahrelang nicht die Schule besuchen. Die Gebäude werden zweckentfremdet und dienen als Unterkünfte für Soldaten. Oft werden die Schulgebäude gerade deshalb gezielt angegriffen. Im Kosovo z. B. sind fast die Hälfte der Schulen zerstört. Und nach einem Friedensschluß dauert es dann meist Jahre, bis der normale Schulbetrieb wieder aufgenommen wird. Den Kindern geht in dieser Zeit nicht nur wertvolles Wissen verloren, ihnen fehlt ein wichtiges Stück ihres normalen Alltags.
    Die Kriegswirren führen häufig auch dazu, daß Kinder von ihren Eltern getrennt werden. Bei den großen Konflikten der vergangenen Jahre machten unbegleitete Kinder jeweils zwischen zwei und fünf Prozent der Flüchtlinge aus. Die Trennung von den Eltern während einer Flucht kann vor allem für Kleinkinder akute Lebensgefahr bedeuten, da sie nun selber für ihre Ernährung sorgen müssen. Insgesamt gehen die Vereinten Nationen von weltweit einer Million Kriegswaisen und unbegleiteten Flüchtlingskindern aus. Die Schrecken des Krieges lassen viele Kinder nicht mehr los. Unter ihren seelischen Wunden haben sie oft jahrelang, nicht selten ihr ganzes Leben zu leiden. Viele Kinder müssen mit ansehen, wie ihre Eltern, Angehörigen und Freunde mißhandelt, vergewaltigt oder sogar getötet werden. Auch Krieg und Vertreibung verursachen bei vielen Kindern psychische Sörungen. Die ständige Ungewissheit über die eigene Zukunft lastet schwer auf den Kindern.
    (Aus dem Bericht für die Vereinten Nationen von Graca Machel über die Auswirkungen von Kriegen auf Kinder.)


    WENN DIE VERGANGENHEIT
    IMMER WIEDER KOMMT

    Die Bilder sind immer da - jeden Tag und jede Nacht, manchmal ein Leben lang. Und sie kommen immer wieder: Wie ein Film laufen sie in den Köpfen der traumatisierten Kinder ab. Das
    Geräusch eines Lastwagens, das Knallen von Stiefeln, der Geruch in einem überfüllten Bus reichen aus, um Panik auszulösen. Posttraumatische Störungen können sich bei Kindern durch Bettnässen oder Konzentrationsstörungen, Herzrasen, Zittern oder Übelkeit äußern. Viele Kinder werden aggressiv, haben ständig Angst. Einige denken an Selbstmord.
    Im Krieg reicht es deshalb nicht aus, die Kinder mit Medikamenten und Nahrung zu versorgen. Sie brauchen auch psychologische Hilfe. Deshalb richtet UNICEF in Flüchtlingslagern möglichst schnell provisorische Zeltschulen und Spielzonen ein, damit die Kinder wieder ein Stück Normalität erfahren. Psychologen leiten die Kinder an, ihre Erlebnisse in Bildern festzuhalten. Denn erst wenn die Kinder eine Möglichkeit finden, das Erlebte auszudrücken, können sie geheilt werden.
    (aus: unicef Information: Kinder als Zielscheibe)