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  • Walkman Blues

    PRESSESTIMMEN

    "Die Hauptrolle in diesem atmosphärisch dichten, wortkargen Film spielt neben der Musik, einer Mischung aus Punk und Free Jazz, die Stadt Berlin. Lange Kamerafahrten zeigen nicht ihr künstliches Gesicht für die Touristen, sondern eher häßlich abbruchreife Häuser. Das Berlin der Aussteiger. Dieser >Walkman-Blues< war einer der stilsichersten Beiträge in Saarbrücken, was die studentische Unifilm-Jury mit ihrem Sonderpreis honorierte."

    Der Tagesspiegel, 02.01.1986

    "Wie ein Leichentuch liegt der Schnee über Berlin. Verlassene Fabriken ragen wie gespenstische Burgruinen in einen fahl leuchtenden Himmel. Ein junger Mann, der einen Walkman hat, fährt durch die Stadt. Die Scheiben des Doppeldeckerbusses sind gefroren. Der Bus ist fast leer, in der Stadt kaum ein Mensch. Der Junge steigt um, einem Mädchen hinterher. Aber in der U-Bahn ist er schon wieder allein. Er fährt und fährt. Die endlose gleichförmige Bewegung ist wie ein Stillstand. Später lernt der Junge eine Frau kennen, eine Photografin. Sie hat Berlin geknipst: HInterhöfe, Abbruchhäuser, leere Läden, zerfetzte Plakatwände. Sie sagt: "Ich glaube, ich habe die gleiche Stadt gefunden wie du."
    In seinem Film "Walkman Blues", beschreibt Alfred Behrens Berlin als eine verlassene Industrielandschaft. In dieser Stadteinsamkeit ist jeder nur für sich allein.
    Die Zeit, 07.02.1986

    Behrens reduziert die Banalität des Alltags auf einige Gesten, die sich stets wiederholen, auf Riten (Besprechen des Kassettenrecorders, Fahren in Autobus oder U-Bahn, Arbeiten, zielloses Gehen). Es sind bestimmte Grundsituationen, deren individuelle Züge weggefallen sind. Dem entspricht, daß dem Anschein nach der junge Mann des Films keinen Namen trägt., sondern andernfalls, nach Art expressionistischer Filme, "der junge Mann" ist, dem "das junge Mädchen" gegenübersteht. Doch sind diese beiden Hauptfiguren durchaus nicht nur in der vielleicht dünnen Luft der Phantasie des Autors lebensfähig. Das erweist sich besonders beim Kennenlernen, als in der Wohnung des Mädchens die Beiden scheu und zugleich der Wärme des Beisammenseins bedürftig aufeinander zugehen, daß eine kostbare Balance von Zuneigung und Zurückhaltung entsteht. Das ist der dichteste Augenblick des Films und doch nur ein Ausschnitt dieses außerordentlich stilsicheren, nuancierten Films.
    Die Kamera bevorzugt lange Einstellungen. Fahrten oder gar Trafofahrten sind mir nicht aufgefallen. Es ist Prinzip von Behrens, die Einstellungen sozusagen einbrennen zu lassen und uns Zeit zu geben, das Bild wirken zu lassen. Ruhe zum Nachdenken geben auch die Industrie-Veduten, vor allem zu Anfang des Films, in denen Behrens regungslose, lange Einstellungen von Industrielandschaften Berlins zeigt. Hier baut er ein gewisses Gefühlspotential auf, aber gerät weder in Symbolismus noch in das gefühlsträchtige Bild. Er fordert Konzentration vom Zuschauer und die Sparsamkeit des Textes hilft mit, den Blick auf den Personen zu lassen. Dies alles setzt freilich voraus, daß die beiden Protagonisten und die Stadt uns etwas zu sagen haben und nicht zum bloßen Dekor werden. Wir sehen eine innere Übereinstimmung zwischen dem leeren Berlin und diesen beiden Existenzen. Sie leben dahin, sind passiv und leiden ebenso an sich wie an der Fremdheit der Großstadt.
    Ulrich v. Thüna, epd Film, 10/1986