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  • Mein Herz sieht die Welt schwarz - Eine Liebe in Kabul

    PRESSESTIMMEN

    „MEIN HERZ SIEHT DIE WELT SCHWARZ – EINE LIEBE IN KABUL“ von Helga Reidemeister
    Deutschlandradio Kultur, 10.02.2010

    Die 1942 in Halle/Saale geborene Dokumentarfilmerin und „Adolf-Grimme-Preisträgerin“ (für „Von wegen Schicksal“, ihren Abschlußfilm an der Westberliner Filmhochschule/1979) hat sich in der politischen Doku-Scene einen hervorragenden Namen gemacht mit Filmen wie „Mit starrem Blick aufs Geld“ (1983/“Bundesfilmpreis“); „Aufrecht Gehen: Rudi Dutschke – Spuren“ (1988); „Im Glanze dieses Glücks“ (1991/Deutschland nach dem Fall der Mauer) oder „Gotteszell – ein Frauengefängnis“ (2001/1. Preis „Cinema du Réel“/Paris). 2003 drehte sie erstmals in der afghanischen Hauptstadt; ihr Film „Texas-Kabul – Frauen gegen den Krieg“ handelte von „der weiblichen Sicht gegen den Krieg“, dort und im Allgemeinen. Jetzt hat Helga Reidemeister dort erneut einen Dokumentarfilm gedreht: Eine Liebesgeschichte in Zeiten des Krieges. Der ebenso eindringlich wie nahegehend die „Anonymität“ um menschliche Gesichter und Schicksale aufbricht; der die Konfrontation zwischen überlieferter Tradition-dort und westlichen Demokratiebemühungen hautnah schildert. Dabei stehen keineswegs Kriegsmotive, Kriegsschauplätze, im Blickfeld, sondern Menschen, Einheimische, eine Familie in Kabul. Heute. Am Anfang fängt der Kamerablick „Zerstörung“ ein. Während einer Autofahrt entlang der vom Krieg verwüsteten Metropole Kabuls. Irgendwo ein notdürftig „zurechtgezimmertes“ Haus. Davor ein Mann, schwerstbehindert, auf einem Gestell die regungslosen Beine hinter sich herziehend. Hossein. Durch Granatsplitter querschnittsgelähmt. Invalide. Arbeitsunfähig. Schalma taucht mit ihrer kleinen Tochter Sabna auf. Hossein und Schalma mögen sich seit ihrer Kindheit. Doch ihre persönliche Situation ist an diesem Ort der Welt mehr als „schwierig“: Er kriegsversehrt, Sie zwangsverheiratet. Dennoch sind sich beide darin einig, um ihre Liebe auch gegen den Widerstand ihrer Familien zu kämpfen. Um ein eigenbestimmtes Leben, Eheleben, Familienleben, führen zu können. Was beeindruckt, ist DIE Nähe, die hier durch das ausgiebige, ausführliche Zugehen auf die dort lebenden Menschen entsteht. Jenseits jedweder „anderen Bilder“ aus bzw. über Kabul; abseits der täglichen Foto-Schlagzeilen. Der Film bietet die Möglichkeit, unmittelbar ihnen zu begegnen, ihnen zuzuschauen, ihnen zuzuhören. Wir haben die authentische Möglichkeit, „in diese Region“ und in das tatsächliche Leben Einzelner dort einzutauchen. Näheres zu erfahren, Authentisches, überhaupt - ernsthaft wie emotional wie ruhig und ausgiebig informiert zu werden. Dadurch eben entsteht kluge NÄHE. An-SPANNUNG, Solidarität, Aufmerksamkeit. Verständnis.
    Ein humaner Film, mit vielen Facetten, diversen „Ungereimtheiten“ für hiesige Werte-Betrachter, und natürlich „darüber hinaus“ außerordentlich politisch wirkend, wenn es um die desolaten wirtschaftlichen und politischen Zustände in Afghanistan geht. Beachtlich die nüchternen, eindringlichen Bilder vom Kameramann Lars Barthel. Dessen viele Großaufnahmen und Nahperspektiven eine besondere „Individualität“, ein spezielles „Teilhaben“, herstellen. Ein interessanter neuer Dokumentarfilm über eine „Ecke der Welt“, die uns „so“ tief - seelisch, politisch, individuell - noch nie angesehen und erreicht hat.
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    MEIN HERZ SIEHT DIE WELT SCHWARZ - EINE LIEBE IN KABUL
    Britta Leudolph, AVIVA-Berlin, Februar 2010

    Helga Reidemeister zeigt in ihrer Dokumentation den Kampf zweier Liebenden um ihr persönliches Glück. Dabei scheint ihre Lage hoffnungslos, in Afghanistan entscheidet allein der Vater, an wen die...
    ... Tochter zur Heirat verkauft wird.

    Shaima und Hossein wachsen als Kinder in Afghanistan auf. In ihrer Jugend verlieren sich ihre Wege in den Kriegswirren, doch in den 1990er Jahren finden sie sich in Kabul wieder. Sie lieben sich.

    Shaima kann es kaum fassen, als sich Hossein entscheidet, für die Taliban in den Kampf zu ziehen, um der bitteren Armut zu entfliehen. Hossein wird im Krieg schwer durch Granatsplitter verletzt und kehrt querschnittsgelähmt zurück. Shaima wünscht sich nichts mehr, als mit Hossein zusammenzuleben, doch ihre Familie hat andere Pläne für sie: sie wird als vierte Ehefrau an einen 40 Jahre älteren Mann verkauft und bekommt bald darauf ihr erstes Kind. Nach afghanischer Tradition wäre dies das Ende des Traums der Liebenden auf eine gemeinsame Zukunft. Afghanische Frauen haben nicht das Recht, ihr Leben selbst zu bestimmen und müssen sich den patriarchalen Strukturen der Gesellschaft bedingungslos unterordnen. Doch Shaimas Ehemann bleibt ihrem Vater die Hälfte des Brautgeldes schuldig und dieser holt seine Tochter zurück in seine Familie.

    Shaima und Hossein treffen sich nun so häufig wie möglich und halten gegen alle Widerstände an ihrer Liebe fest. Ihr Umfeld zeigt wenig Verständnis, zudem ist nach den strengen mittelalterlichen Stammesgesetzen die Rache der männlichen Familienmitglieder zu fürchten. Die Liebe und das unbedingte Festhalten an ihr stellt in einer Gesellschaft wie der afghanischen einen Tabubruch dar, der mitunter tödlich enden kann.

    Helga Reidemeister schafft ein sensibles Portrait zweier Menschen, die in einer zerrütteten, verarmten und traumatisierten Gesellschaft die Hoffnung nicht verlieren möchten. Auch wenn sich die Regisseurin auf ihre ProtagonistInnen konzentriert, zeigt "Mein Herz sieht die Welt schwarz – Eine Liebe in Kabul" viel mehr. In einer Gesellschaft, die sich seit nunmehr 30 Jahren fast ununterbrochen im Kriegszustand befindet, ist für Liebe oder individuelle Träume wenig Platz. Wenn die Familie die einzige soziale Institution ist und sich alles auf deren Erhalt konzentriert, ist die Hoffnung auf ein Stück persönliches Glück meist vergeblich.

    Zur Regisseurin: Helga Reidemeister wurde 1940 in Halle an der Saale geboren. Sie legte 1959 ihr Abitur in Köln ab. Von 1961 bis 1965 studierte sie freie Malerei an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. 1968 bis1973 leistete sie Sozialarbeit im Märkischen Viertel in Berlin. Von 1973 bis 1978 studierte sie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Seit 1971 dreht sie Dokumentarfilme.

    AVIVA-Tipp: "Mein Herz sieht die Welt schwarz – Eine Liebe in Kabul" ist eine wunderbar warmherzige Dokumentation über die Kraft der Liebe. Ein Blick in die Augen von Shaima und Hossein genügt, um zu verstehen, warum sie so sehr aneinander festhalten. Auch wenn der Krieg den Menschen fast alles nimmt, so bleibt doch noch die Hoffnung auf eine glücklichere Zukunft.
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    MEIN HERZ SIEHT DIE WELT SCHWARZ - EINE LIEBE IN KABUL
    Michael Ramm, Zitty-Berlin, Februar 2010

    Im nicht nur von Armut geplagten Kabul ist für die Menschen der Halt der Familie die wichtigste Lebensgrundlage. Hossein und Shaima kämpfen um ihre ganz eigene Vorstellung von Glück. Die beiden lieben sich schon seit ihrer Kindheit, aber Shaima wurde von Ihrem Vater für viel Geld als vierte Ehefrau an einen 40 Jahre älteren Mann verheiratet. Hossein ist durch den Krieg querschnittsgelähmt, kann nur mit Gehhilfe laufen und ist auf die Pflege seiner Familie angewiesen. Weil aber Shaimas unfreiwilliger Ehemann das Brautgeld nicht zahlt, wird sie zurück in das patriarchisch geführte Elternhaus geholt. Dadurch schöpfen die beiden Liebenden Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft. Aber alle Beteiligten haben Angst vor dem reichen Ehemann, der nicht in die Scheidung einwilligt. Zudem könnte Hossein aufgrund seiner Behinderung niemals für Shaima und ihre nun fünfjährige Tochter sorgen.
    Helga Reidemeister zeigt in Ihrem Dokumentarfilm eine verbotene Liebe in Afghanistan, die überall auf Unverständnis stößt. Überraschend offen und ungezwungen geben sich die Familien vor der Kamera. Sie offenbaren viel über die familiären Machtverhältnisse, bei denen es vor allem ums Geld geht.
    Ohne Krieg und Leid zu zeigen, gibt uns „Mein Herz sieht die Welt schwarz“ mit vielen ruhigen Bildern einen sensiblen Einblick in die afghanische Gesellschaft. Oft möchten wir schreien: Dickköpfe! Aber wir können uns Romantik auch noch leisten.
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    ICH KANN NICHT ANDERS ALS HOFFEN
    Die Regisseurin Helga Reidemeister über Afghanistan, die Liebe und das Prinzip Hoffnung
    Ralf Schenk, Berliner Zeitung, 11.02.2010

    Helga Reidemeister hat ihrem neuen Dokumentarfilm einen Doppeltitel gegeben: "Mein Herz sieht die Welt schwarz - Eine Liebe in Kabul" (in Berlin ab 11. Februar im Kino). Erzählt wird von Hossein und Shaima, die sich seit ihrer Kindheit lieben und die der Krieg als Halbwüchsige auseinandergerissen hatte. Als sie sich wieder begegneten, war Shaima von ihrem Vater zwangsverheiratet worden und Hossein durch Granatsplitter querschnittsgelähmt. Gegen den Willen ihrer Familien halten die beiden aneinander fest - ein Tabubruch, dessen Ausgang niemand kennt. Wir sprachen mit der Regisseurin.

    Frau Reidemeister, es ist wunderbar zu sehen, wie offen Shaima und Hossein, aber auch deren Verwandte vor der Kamera über ihre Gefühle reden. Wie haben Sie das geschafft?

    - Das ist für mich noch immer ein Geheimnis. Wir haben ihnen ja kein Geld versprochen, wir haben sie nicht gekauft. Nie wurden wir als Fremde angesehen, als Leute, die in ihr Privatleben eindringen. Wir waren stets willkommen. Als Dokumentarfilmerin fand ich das sehr beglückend.

    Ausgangspunkt Ihres Projekts war ein Krankenhaus in Kabul, in dem Kriegsversehrte lernen, mit Prothesen umzugehen. Ursprünglich sollte ein Film zu diesem Thema entstehen.

    - Wir hatten einen wunderbaren italienischen Arzt mit einem großen Herzen und einem enormen Können getroffen, der uns sehr beeindruckt hat. Lange Zeit dachte ich, dass ich ein Porträt dieses Mannes machen müsste, der seine Praxis in Mailand aufgegeben hat und sich in Afghanistan der Arbeit als Physiotherapeut widmet. Mit einer unerhörten Leidenschaft fertigt er Prothesen und Rollstühle, und je ärmer die Menschen sind, umso mehr kümmert er sich. In dieser Klinik wird darauf geachtet, dass jeder voneinander lernt: Diejenigen, die lesen und schreiben können, bringen es den anderen bei. Und diejenigen, die mit ihren Holzbeinen und Hakenarmen umgehen können, fertigen nun selbst Prothesen. Die ihre Hände noch haben, werden Masseure. Wir freundeten uns mit dem Arzt an, und er schlug vor, einen Therapeuten zu begleiten, der Patienten außerhalb der Klinik betreut. Auf einer dieser Touren trafen wir Hossein. Unsere erste Begegnung, bei der er mit seinem Laufgestell auf uns zukommt, ist im Film zu sehen. Auf seinem Gesicht spiegelten sich Skepsis, Neugier und Freude. Er lud uns zum Tee ein. Bald stand für mich fest, dass wir seine und Shaimas Geschichte erzählen müssen.

    Unser Bild von afghanischen Musliminnen beschränkt sich auf das der unterdrückten Frau. Shaima, aber auch ihre Mutter und Schwiegermutter sind anders.

    - Die afghanischen Frauen, die ich in dem Film zeige, sind aufrecht, selbstbewusst und stehen zu ihrer Meinung. Wenn Shaimas Mutter vor der Kamera zu ihrem Mann sagt, dass er die Töchter nur wegen seines eigenen Bauchs verkaufe, ist das ein ungeheuerlicher Satz. Daran zeigt sich, dass das bei uns vorherrschende Bild einer muslimischen Frau nicht stimmt. Wir haben eben viele Vorurteile im Kopf. Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele, aber dieses Selbstbewusstsein ist häufiger vorhanden, als wir uns das vorstellen.

    Die letzten Dreharbeiten zu Ihrem Film fanden im Jahr 2006 statt. Was ist seither mit Shaima und Hossein geschehen?

    - Für das Paar hat sich die Situation verschlimmert. Die Mutter von Hossein erteilte Shaima Hausverbot. Das Paar fuhr dann in Taxis zu Friedhöfen, damit die beiden irgendwo ein bisschen Ruhe haben und reden können. Der Zustand, in dem sie sind, ist für sie lebensgefährlich - die Rache der traditionellen paschtunischen Familienclans kann furchtbar sein. Shaima gilt als Ehebrecherin, obwohl der Mann, mit dem sie zwangsverheiratet wurde, vier Jahre lang nicht aufgetaucht ist. Das Letzte, was die Richter herausgefunden haben, war, dass er wegen Drogenhandels im Knast sitzt. Wir hoffen sehr, dass der Richter jetzt endlich ihr Scheidungsurteil unterschreibt. - Andererseits hat unsere Aufmerksamkeit eine wichtige Rolle für Shaimas und Hosseins Selbstbewusstsein gespielt, sich nicht zu sehr als Außenseiter zu fühlen, obwohl sie es in Afghanistan natürlich sind. Im November 2008 bin ich nach Kabul gefahren und habe ihnen den Film gezeigt, heimlich, weil sich Afghanen da schon nicht mehr mit Ausländern treffen durften, ohne um Leib und Leben zu fürchten.

    Sie waren 2002 erstmals in Afghanistan, zu Dreharbeiten für "Texas - Kabul". Ist Ihnen das Land seitdem anders begegnet?

    - Ja, dramatisch anders, und es tut mir sehr weh. 2006 schlug das Klima massiv um. US-amerikanische Panzer waren in zivile Autos gerast und hatten dabei Menschen getötet. Zum ersten Mal wurden nun auch in Kabul Ausländer gejagt. Bei meinem letzten Besuch 2008 bedurfte es konspirativer Absprachen, um Shaima und Hossein überhaupt zu sehen. Uns war völlig klar, dass sie uns nicht mehr zu sich nach Hause einladen konnten, dass wir eine Gefahr für sie waren. Verhältnisse, die es mir nicht mehr erlauben, die Menschen, die ich gern habe, offen zu begrüßen und ihnen nahe zu sein, erfüllen mich mit Zorn.

    Der Haupttitel Ihres Films, "Mein Herz sieht die Welt schwarz", stammt von Hossein. Er sagt den Satz, nachdem er von seinem Kriegsunglück erzählt hat: "So hat mich Gott in meiner Jugend zum Krüppel gemacht." Entspricht dieser Pessimismus Ihrem Gefühl zur Lage in Afghanistan?

    - Nein, denn ich kann gar nicht anders, als dem Prinzip Hoffnung verpflichtet zu sein. Aber ich kenne auch das Argument, dass es Zeiten gibt, die derart bitter und kriegerisch sind, dass es reaktionär wäre, am Prinzip Hoffnung festzuhalten. Im Fall Afghanistan denke ich immer wieder darüber nach, wie ich für mich diese Hoffnung retten kann. Woher sollen denn ohne Hoffnung Überlebenskraft und Energie kommen? Wie soll sich alles ins Produktive wenden? Hoffnung gehört auch zu jener Verantwortung, die wir haben.
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    "MEIN HERZ SIEHT DIE WELT SCHWARZ" - SEHR BERÜHREND
    Kir, BZ, 11.02.2010

    Die Story: Hossein und Shaima lieben sich, seit sie Kinder sind. Im Krieg in Afghanistan wird Hossein durch Granatsplitter querschnittsgelähmt und Shaima an einen 40 Jahre älteren Mann zwangsverheiratet. Trotzdem sehen sich die beiden Liebenden gegen den Willen ihrer Familien so oft wie möglich.

    Die Regisseurin: Helga Reidemeister lernte die beiden im Winter 2004 kennen und war von der Geschichte fasziniert.Die Stars: Hossein und Shaima dürfen heute offiziell zusammenleben.
    Gegen diese wahre Liebesgeschichte können die meisten rosaroten Hollywood-Love-Storys einpacken.
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    MEIN HERZ SIEHT DIE WELT SCHWARZ - EINE LIEBE IN KABUL
    Michael Ramm, Der Tagesspiegel-Ticket, 11.02.2010

    In Kabul ist für die Menschen der Halt der Familie die wichtigste Lebensgrundlage. Hossein und Shaima lieben sich, aber Shaima wurde von ihrem Vater für viel Geld als vierte Ehefrau an einen 40 Jahre älteren Mann verheiratet. Weil aber Shaimas Ehemann das Brautgeld nicht zahlt, wird sie zurück ins Elternhaus geholt. Dadurch schöpfen die Liebenden Hoffnung. Aber alle Beteiligten haben Angst vor dem Ehemann, der nicht in die Scheidung einwilligt. Zudem könnte Hossein aufgrund seiner Querschnittslähmung niemals für Shaima und ihre Tochter sorgen. Helga Reidemeister zeigt in ihrem Dokumentarfilm eine verbotene Liebe in Afghanistan. Überraschend offen geben sich die Familien vor der Kamera. So gibt uns der Film mit vielen ruhigen Bildern einen Einblick in die afghanische Gesellschaft. Sensibel.
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    MEIN HERZ SIEHT DIE WELT SCHWARZ - EINE LIEBE IN KABUL
    Thomas Engel, Gilde-Dienst, Programmkino.de, Januar 2010

    Kabul, Afghanistan. Dort leben und lieben sich Hossein und Shaima. Aber Hossein ist schwerstbehindert. Seine Beine sind lahm. Er kämpfte im Krieg auf der Seite der Taliban. Ob er je wieder richtig wird gehen können, steht in den Sternen. Deshalb ist er auch mittellos. . .
    . . . und Shaima wurde von ihrem Vater mit einem anderen Mann verheiratet, der ohnehin schon mehrere Frauen besaß. Sie hat eine kleine Tochter, Sabna. Später lebte sie wieder bei ihrer Familie, weil der Ehemann das für die Hochzeit fällige Geld noch nicht gänzlich (an den Vater) bezahlt hatte.
    Shaima und Hossein kannten sich schon als Kinder. Sie lieben sich innig, wollen lieber sterben als nicht zusammen sein zu können.
    Doch bei ihren Familien geht es ganz und gar nicht um Liebe – sondern um Geld, um Geschacher, um Ehrenkodizes, um Stammeszugehörigkeit, um mögliche Blutrache, um gegenseitige Ablehnung.
    Hosseins Mutter wollte für ihren Sohn eine andere Frau suchen. Sie spricht zwar viel vom Glauben, von Gottergebenheit, von der nötigen Dankbarkeit Allah gegenüber, doch sie hält Shaima für eine Feindin, eine „Teufelin“ gar. Shaimas Mutter spricht von ihrer Tochter – einer unter mehreren – als von einem dummen Mädchen. Shaimas Vater ist ein paschahafter, überheblicher, egoistischer Kerl, der glaubt, dass man mit Frauen machen könne, was man wolle.
    Hossein und Shaima hatten in einem kargen, von jahrzehntelangem Krieg zerstörten Land ein von Armut geprägtes schweres Schicksal. Erst jetzt, da Shaima ihre Scheidung erreicht hat, kann ihr richtiges Leben beginnen.

    Die Regisseurin Helga Reidemeister hat das Vertrauen dieser Familien erworben und berichtet alles in einfacher, aber berührender Form. Unter welch schwierigen Bedingungen in Afghanistan viele Menschen leben müssen, ist für Europäer kaum vorstellbar.
    Ein wichtiges menschliches Dokument, ein schmerzliches Zeitbild und zugleich eine wunderbare Liebesgeschichte.
    In Filmkunsttheatern und Programmkinos sehr gut möglich.
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    MEIN HERZ SIEHT DIE WELT SCHWARZ - EINE LIEBE IN KABUL
    Barbara Schweizerhof, epd-Film, Januar 2010

    ★★★  Helga Reidemeister stellt ein Liebespaar aus Kabul vor, das nicht miteinander
    leben darf, und liefert damit ein Porträt der Handlungsspielräume, der Werte und Zwänge,
    die in der afghanischen Gesellschaft heute herrschen.

    Hinterher schämt man sich ein wenig, dass man – nicht zuletzt von Titel und Untertitel »Eine Liebe in Kabul« dazu verführt – doch irgendeine Art von Kitsch erwartet hat. Sicher, hier beteuern zwei Menschen abwechselnd vor der Kamera, sich zu lieben und nicht ohneeinander leben zu können. Aber so sehr Dokumentarfilmerin Helga Reidemeister den Blick auf diese »Liebesgeschichte« auch verengt, so unweigerlich vertreiben die widrigen Umstände, die dabei zur Sprache kommen, jeden Gedanken an Gefühlsduselei. Dabei erfährt man gar nicht so viel über das »Liebespaar«, Hossein und Shaima. Dass sie sich seit der Kindheit kennen, was ihrer Liebe besondere Tiefe verleihe, so sagen sie.
    Dass Shaima von ihrem Vater an einen älteren Mann »verkauft« wurde, wie es üblich ist in Afghanistan. Dass dieser Ehemann schon drei Ehefrauen hatte und außerdem die Hälfte des Brautgelds schuldig blieb. Dass ihr Vater sie deshalb zurückholte und man nun weiterverhandelt. Hossein musste unterdessen in den Krieg ziehen, weil ihm als Mittellosem nichts anderes übrig blieb. Ein Granatsplitter hat ihn zum Querschnittgelähmten gemacht, nun liegt er im Haus seiner Mutter und kann sich nur mühsam mit Krücken fortbewegen. Wenige Außenaufnahmen des schmucklosen Kabul unterbrechen die Szenen aus dem Inneren der Häuser, wo einzelne Familienmitglieder mit überraschender Offenheit vor der Kamera ihre Meinung über die Beziehung von Hossein und Shaima kundtun. Beide Familien sind aus verschiedenen Gründen gegen die Verbindung. Hosseins Mutter zischt, dass man die Schande und die Rache des Ehemanns fürchte. In Shaimas Familie will man auf das Geld nicht verzichten, dass Shaima als Braut einbringt.
    Warum soll man sich ausgerechnet für eine Liebesgeschichte aus Kabul interessieren, mag man sich am Anfang gefragt haben, am Ende aber wird klar: Es gibt kein geeigneteres Thema, um darzustellen, welche Werte und Zwänge in einer Gesellschaft herrschen.

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    MEIN HERZ SIEHT DIE WELT SCHWARZ - EINE LIEBE IN KABUL
    Margarete Wach, Film-Dienst, Januar 2010

    Eine Autofahrt entlang der vom Krieg verwüsteten Stadtlandschaft Kabuls. Die Kamera fängt die trüben, grau-lehmigen Farben einer bis auf die Grundmauern zerbombten Kapitale ein, die in Schlamm und Morast versinkt. Ein notdürftig hochgezogenes Haus in der Totalen, davor ein Mann, gestützt auf ein Gestell, mühsam seine regungslosen Beine hinterher schleppend, der sich auf die Kamera zu bewegt, neugierig und verhalten zugleich. Hossein, durch Granatsplitter querschnittsgelähmt, ist Invalide und kann nicht arbeiten. Plötzlich taucht im Hof Schaima auf, mit ihrer kleinen Tochter Sabna. Seit ihrer Kindheit verbindet Hossein und Schaima eine tiefe Zuneigung, die mittlerweile zu einer „unmöglichen“ Liebe herangereift ist: er kriegsverletzt, sie zwangsverheiratet, kämpfen beide gegen den Widerstand ihrer Familien, um ihre Liebe leben zu dürfen. Die Liebe hat sie unbeugsam gemacht, der Tabubruch in Lebensgefahr gebracht; ihr emanzipatorischer Impetus hat aber auch Erkenntnisse befördert, die soziokulturelle Barrieren sichtbar bzw. erahnbar werden lassen: Stammesgesetze, Patriarchat, soziale Kontrolle, Kriegsökonomie, Zwangsheirat – eine Heiratspolitik übrigens, die in der afghanischen Tauschgesellschaft neben Kriegswirtschaft und Drogenhandel für Normalsterbliche die letzte Bastion des Überlebenskampfes darstellt angesichts einer brachliegenden Landwirtschaft, der Rechtlosigkeit und einer grassierenden Arbeitslosigkeit.

    Glücklich kann sich hier schätzen, wer viele Töchter hat, die er zur Existenzsicherung der ganzen Sippschaft feilbieten kann. Wie Schaimas Vater, der sie als vierte Frau an einen 40 Jahre älteren Mann verkaufte, während Hossein der Armut in seiner Heimat entfloh, indem er sich von den Taliban als Söldner anheuern ließ. Da Schaimas Ehemann die Hälfte des Brautgeldes jedoch schuldig blieb, holte sie ihr Vater in die patriarchalische Enge der Familie zurück, wo sie mit ihrer fünfjährigen Tochter heute lebt. In einem von bitterster Armut und einem mittlerweile 30 Jahre andauernden Krieg gezeichneten Land stellt die Familie das einzige soziale Band dar. Persönliches Glück spielt in solcher Gemengelage keine Rolle. Für Hossein und Schaima bedeutet das, in Angst und Bedrängnis vor der drohenden Blutfehde beider Familien zu leben, die männliche Verwandte anzetteln und über Generationen anfeuern könnten.

    Vom Kameramann Lars Barthel eindringlich fotografiert, entblättert Helga Reidemeisters Dokumentarfilm die Liebesgeschichte in Nahperspektive: Viele Groß- und Nahaufnahmen erzeugen eine besondere Unmittelbarkeit, die den Zuschauer in eine fremde, karge und hoffnungslos erscheinende Welt versetzen und am Schicksal der Protagonisten teilhaben lassen. Eine Welt, in der junge Frauen an den Meistbietenden verschachert werden, beherrscht von Stammes- und Familienritualen, die in kompletter Opposition zur aufoktroyierten Demokratisierung stehen und mit dieser kaum in Einklang gebracht werden dürften, solange fehlende Arbeit und existenzielle Not ein Auskommen verhindern. Die beobachtende Kamera und der ruhige, den Menschen zugewandte Erzählrhythmus gewähren tiefe Einblicke in familiäre Strukturen und Denkweisen, die sich gegenläufig zum erwünschten gesellschaftlichen Umbruch ausnehmen und es zwischen dem Flüsterton der Frauen, der Außenseiterposition eines Kriegsversehrten und dem patriarchalischen Gehabe der Familienoberhäuter möglich machen, die Lage vor Ort besser zu verstehen. Alle Parteien, Männer wie Frauen, scheinen in einer unverrückbaren Ordnung gefangen zu sein, die von den äußeren Umständen zusätzlich zementiert wird. Jenseits der geläufigen Gemeinplätze über Afghanistan und den Krieg gegen die Taliban bezeugt der Film eine individuell ausweglose Realität und berührt damit spiegelbildlich gesellschaftliche Fragen, die verschiedene Ebenen von Wahrheit durchschimmern lassen. Unvoreingenommen, aber nicht unparteiisch gelingt es Reidemeister so, die klassischen Potenziale des Dokumentarischen zu aktivieren, was nicht zuletzt auch vom 16mm-Format unterstützt wird.

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    LIEBE IN TRÜMMERN
    Thomas Reinhardt, Saarbrücker Zeitung, Januar 2010

    „Seit ich geboren bin, gibt es nur Krieg. Afghanistan wird immer bombardiert, mal von den Russen, mal von Karmal oder was weiß ich – von Amerika. Es gibt nur Krieg, und er nimmt kein Ende!“ Das sind die ersten Sätze, die in diesem Film gesprochen werden. Die Kamera zeigt dazu Bilder von besagtem Land: Im Hintergrund die stolzen, schneebedeckten Berge, davor das flache, kar- ge Land – mit nichts als Rui- nen, Trümmer und Elend. Hossein spricht die einlei- tenden Sätze, dann sieht man ihn zum ersten Mal: Ge- stützt auf eine Gehhilfe schleppt er sich mühsam voran – er ist querschnittsgelähmt. Später erfährt man, warum: Aus Armut und ohne Perspektive ließ er sich als Jugendlicher dazu überreden, bei den Taliban mitzumachen. Er wurde verletzt und ist seither gelähmt. Hosseins große Liebe ist Shaima. Sie kennen und mö- gen sich seit ihrer Kindheit. Im Krieg werden sie auseinander gerissen, im Kabul der 90er Jahre finden sie sich wieder. Shaima wurde von ihrer Familie verkauft – als vierte Ehefrau an einen 40 Jahre älteren Mann! Da ihr Ehemann einen Teil des Brautgeldesschuldig bleibt, holt ihr Vater Shaima zurück. Gegen den Willen der Familie versuchen Hossein und die verheiratete Shaima, sich so oft es geht zu sehen. Sie haben nur ein Ziel: Sie wollen zusammen sein und heiraten, sie träumen von einem gemeinsamen Leben in Frieden.
    Helga Reidemeister lässt sich in ihrem Dokumentarfilm viel Zeit, erzählt in einem ruhigen Rhythmus, geht behutsam auf ihre Gesprächspartner ein. „Mein Herz sieht schwarz – Eine Liebe in Kabul“ ist ein bewegendes Dokument aus einer uns fremden Welt.

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    AUF DER SUCHE NACH EIN WENIG GLÜCK: ROMEO UND JULIA IN AFGHANISTAN
    Michael Ranze, Hamburger Abendblatt, Januar 2010

    Hossein ist ein gut aussehender Mann, aber er ist gelähmt. In einer der ersten Szenen sehen wir ihn, wie er auf einer viergliedrigen Gehstütze mühsam auf die Kamera zukommt. Für einen kurzen Moment scheint eine im Weg liegende Katze zum unüberwindlichen Hindernis zu werden - bis sie endlich unwillig aufsteht. Dann kommt Shaima mit ihrer wunderhübschen fünfjährigen Tochter um die Ecke. Hossein und Shaima lieben sich seit ihrer Jugend. Doch nun ist Hossein Invalide, und Shaima wurde von ihrem Vater verkauft - an einen Mann, der schon drei Frauen hat und 40 Jahre älter ist. Dass sich Hossein und Shaima überhaupt sehen dürfen, hängt damit zusammen, dass ihr Ehemann nur die Hälfte des Brautgeldes bezahlt hat. Darum ist Shaima ins Elternhaus zurückgekehrt. Doch nun befürchtet der Vater eine Familienfehde.

    Romeo und Julia in Kabul: Über Selbstmordattentaten, den Krieg gegen die Taliban und die Diskussionen um die deutsche Beteiligung hat man völlig vergessen, dass in Afghanistan ganz normale Menschen leben, die nach ein wenig Glück suchen. Trotz aller von außen herangetragenen Bemühungen um Demokratie - der Alltag in Afghanistan, das zeigen die offenen Gespräche, ist durch Patriarchat, Stammesloyalität und Zwangsheirat geprägt.

    Die Regisseurin Helga Reidemeister lässt die Menschen einfach erzählen und sieht dabei zu. Reidemeister rückt ihren Gesprächspartnern mit selbstverständlich wirkender Natürlichkeit auf die Pelle und vermittelt ihnen ein Gefühl von Nähe und Vertrauen. Nun so konnte sie Aufnahme in die Wohnungen finden und die Menschen zum Reden verführen. Ein ungewöhnlicher Dokumentarfilm.

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    MEIN HERZ SIEHT DIE WELT SCHWARZ
    Dokumentarfilm über eine Liebe in Kabul
    Eckart Alberts, Hamburger Morgenpost, Januar 2010

    Das Thema: Schon als Kinder waren Hossein und Shaima unzertrennlich. Durch den Krieg in ihrer afghanischen Heimat auseinandergerissen, treffen sie sich als Erwachsene in Kabul wieder und würden gern zusammen sein. Aber Hossein muss als Soldat in den Krieg ziehen und wird durch Granatsplitter querschnittsgelähmt. Bald darauf wird Shaima von ihrer Familie gezwungen, einen 40 Jahre älteren Mann zu heiraten, von dem sie eine Tochter bekommt. Weil Shaimas Ehemann aber das Brautgeld nie bezahlt hat, holt ihr Vater sie in die patriarchalische Enge seiner Familie zurück. Gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Familien sehen sich Hossein und Shaima, deren Tochter inzwischen fünf ist, so oft sie können. Ständig müssen die Liebenden mit Racheakten der männlichen Familienmitglieder rechnen. Aber trotz aller Gefahren und Bedrängnisse halten Hossein und Shaima an ihrem Traum von einem gemeinsamen Leben in Frieden fest.

    Die Regisseurin: Helga Reidemeister macht seit über 30 Jahren Dokumentarfilme und legt nach "Texas-Kabul" nun ihre zweite Arbeit über Afghanistan vor. Im Winter 2004 hat sie Hossein und Shaima kennengelernt. Die Geschichte der beiden und die ungewöhnliche Offenheit, mit der man ihr begegnete, berührten Reidemeister. So fuhr die Regisseurin bis 2007 immer wieder nach Kabul und porträtierte dabei nicht nur Hossein, Shaima und deren Familien, sondern fing auch Bilder vom Alltagsleben in Afghanistan ein, die eine Vorstellung davon vermitteln, was es heißt, in einem von jahrzehntelangem Krieg geschundenen Land zu leben. Das Preisgeld, das Reidemeister für ihren Film auf den Festivals von Ourense und Neukaledonien gewann, ließ sie übrigens ihren Protagonisten zukommen.
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    DER PREIS DER LIEBE: Der sehenswerte Film von Helga Reidemeister erzählt facettenreich von Afghanistan.
    Bert Rebhandl, tip-Berlin, Februar 2010

    Hossein und Shaima sind ein Liebespaar in Kabul. Er ist Paschtune, sie gehört einem anderen Stamm an. Er ist unverheiratet und nach einer Kriegsverletzung gelähmt. Sie ist gegen ihren Willen verheiratet, hat eine Tochter und möchte die Scheidung. Hossein und Shaima sind umstellt von zwei Familien, umstellt von der patriarchalen Tradition, umstellt von den Bräuchen, die für Töchter einen Brautpreis vorsehen, von dem Familien im Idealfall eine ganze Weile leben können. Die Liebe zwischen Hossein und Shaima aber "brennt" seit der Kindheit, Profit lässt sich daraus allerdings nicht schlagen. Helga Reidemeister, die 2004 schon mit ihrem politischen Road movie "Texas Kabul" in der afghanischen Hauptstadt Station gemacht hatte, erzählt ihre Geschichte in "Mein Herz sieht die Welt schwarz – Eine Liebe in Kabul" in einfachen Bildern, und doch erweist diese Geschichte sich in jeder Sekunde als repräsentativ für die Lage in dem umkämpften Land. Der junge Mann, der sich aus Armut bei den Taliban verdingte und im Kampf eine schwere Verletzung erlitt, ist nur eines von vielen Opfern eines schier unlösbaren Konflikts, von dem Helga Reidemeister viele aufschlussreiche Facetten zeigt.
    tip-Bewertung: Sehenswert
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    ROMEO UND JULIA VOM HINDUKUSCH
    Gabriele Schoder, Badische Zeitung, 9.02.2010

    "Seit ich geboren wurde, war hier immer nur Krieg", sagt eine Männerstimme, während die Kamera an Hausruinen vorbeifährt und den Hintergrund die schneebedeckte Bergkette des Hindukusch säumt, majestätisch, unzerstörbar. Der da spricht, ist Hossein. Ihn hat der Krieg gelähmt, Granatsplitter. Auf seinem Gehgestell arbeitet er sich der Kamera entgegen, lächelt ein wenig verlegen: Von der ersten Szene an ist der schöne Mann mit den verkümmerten Beinen in seiner Offenheit und Verletzlichkeit sehr nah.

    Und das Drama seiner Liebe zu Shaima: Die beiden begreifen einander als ihr Schicksal, seit Kindertagen. Im Krieg verloren sie sich aus den Augen: Hossein war bei den Taliban, weil er Geld brauchte, wurde schwer verletzt und lebt heute wieder bei seiner Mutter. Shaima wurde die vierte Ehefrau eines 40 Jahre älteren Manns, gebar eine Tochter – weil der Ehemann aber Brautgeld schuldig blieb, holte Shaimas Vater sie und ihr Kind zurück.
    Shaima besucht Hossein, wo sie kann, gegen den Widerstand ihrer Familien. Die beiden träumen von einer Zukunft, die nicht in Sicht ist: "Mein Herz sieht die Welt schwarz", sagt Hossein. Seine Mutter fürchtet eine Blutfehde, ihre Mutter spricht immerhin offen davon, dass der Vater sich von den Brautsummen der Töchter nährt. Während die Liebenden von Shaimas verzweifelter Weigerung gegen die Zwangsheirat erzählen. Auch von den vergeblichen Abtreibungsversuchen – Sabna, ein inzwischen fünfjähriges Mädchen mit blau leuchtenden Augen, ahnt nicht, dass da von ihr die Rede ist.

    "Mein Herz sieht die Welt schwarz" berührt mit Intimität und Direktheit. Zwar scheinen manche Sätze sehr in die westliche Kamera hinein gesprochen – wenn etwa Hossein an die Demokratie in Afghanistan erinnert und Frauenrechte einfordert – , in den Gesichtern aber ist nun gar nichts Aufgesetztes. Die Kamera von Lars Barthel blickt sie ruhig an, ein aufmerksames Gegenüber, des Vertrauens würdig, das ihm da entgegengebracht wird. Und das ist freilich ein beträchtliches. Die alte Frau vergisst den Schleier über ihr Gesicht zu ziehen, während sie spricht, die junge Frau raucht und berührt die Hand ihres Geliebten: Schon wegen solch kleiner Tabubrüche hätte der Film alle Beteiligten in Gefahr gebracht, wäre er in Afghanistan gezeigt worden. Aber die Dokumentation kommt sogar in die deutschen Kinos erst jetzt (die Premiere war auf der Berlinale 2009), nachdem sie auf Festivals ausgezeichnet wurde: Vom Preisgeld wurde ein Kleintransporter für Shaimas Vater finanziert, daraufhin hat er der Scheidung und freien Partnerwahl seiner Tochter schriftlich zugestimmt.

    Es scheint also ein vorläufiges Happyend zu geben für Shaima und Hossein. In ihrer unerschütterlichen Liebe scheinen sie direkte Nachfahren von Leila und Madschun, jenem verzweifelten Liebespaar, das der persische Dichter Nizami im 12. Jahrhundert besungen hat und das Shakespeare zu Romeo und Julia inspirierte. Helga Reidemeister ging es aber nicht zuerst darum, die ewige Geschichte von unerfüllter romantischer Liebe im kriegsgeschüttelten Afghanistan unserer Zeit zu erzählen. Die Weggefährtin von Rudi Dutschke, Jahrgang 1940, hatte den Alltag im Sinn und vielleicht einen Arbeitstitel wie "Aufrecht gehen" (so hieß 1988 ihr Dutschke-Film), als sie im Orthopädischen Zentrum in Kabul recherchierte.

    Mit Hossein und Shaima gewinnt ihr Film etwas Unbedingtes: Die Bilder feiern es in reinen, gesättigten Farben, im himmlischen Blau einer Burka oder eines Stapels Matratzen, im Rot einer Weste, im Goldgelb eines Fladenbrots, das sich in der Pfanne bläht. Aber das ist nur Transzendieren und Kontrapunkt, die Realität bleibt im Blick. Die Prothesenwerkstätten in Kabul, der Schmerz, das Leid, die Armut. Die vor allem. "Wenn die Taliban regieren und uns Geld geben, sind wir mit ihnen", sagt Hosseins Mutter. "Die Regierung, die uns Geld zum Leben gibt, mit der sind wir." Und für den Sohn ist es nicht ein Ehrenkodex, was seiner Verbindung mit Shaima im Wege steht, sondern schlicht die Tatsache, dass er behindert ist und kein eigenes Geld verdienen kann.
    Schön, wenn wenn ein Film auch nur einmal helfen kann, das Dilemma zu lösen, das er beschreibt.
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    DIE KAMERA ALS VERBÜNDETER
    Lars Meyer, Playerweb, Februar 2010

    Im Winter sind die Straßen von Kabul nicht nur voller Schnee und Matsch. Es schieben auch viele Männer auf Krücken darin herum, mit nur einem Bein. Solche Straßenszenen haben die Menschen in Europa nach dem Ersten Weltkrieg erschreckt. Doch das ist lange her, und weit weg ist Afghanistan. Die Medienwelt hat sich zudem wie eine Mauer davor aufgetürmt. Hier ist es die Aufgabe des Dokumentarfilms, geduldig hinzuschauen, um zunächst mal eigentlich ganz Selbstverständliches ans Tageslicht zu fördern: Zum Beispiel, daß die Menschen in dieser anarchischen Region nicht nur mit Krieg und Armut kämpfen, sondern zuweilen auch um ihre Liebe.

    Die Geschichte von Shaima und Hossein ist im Grunde genommen eine klassische Tragödie. Eine Kindheitsliebe. Zwei, die sich nichts anderes wünschen, als zusammen zu sein. Und zu viel, was dagegen spricht. Hossein ging, kaum erwachsen, aus Armut als Söldner zu den Taliban und kehrte halb querschnittsgelähmt zurück. Shaima hält zu ihm. Doch sie wurde als vierte Ehefrau an einen Mann verkauft, wie es nach Ansicht ihres Vaters der Tradition entspricht. Als der Ehemann nicht zahlte, holte ihr Vater sie und ihr Kind vorläufig zurück. Jetzt kann Shaima wieder zu Hossein. Aber nur heimlich und gegen den Willen von dessen Mutter, die Blutrache fürchtet.
    Das Filmteam dringt mitten in eine prekäre Situation. Die Hoffnung ist sehr gering, und doch treffen wir auf das Glück zweier Menschen, die bereit sind, im Moment zu leben oder auch zu sterben. Schwierig für einen Dokumentarfilm, da nichts nach außen dringen soll. Die Kamera bohrt nach und zeigt für Minuten auch mal nur Hosseins verträumte Augen. Und schließlich gelingt es Helga Reidemeister doch noch, aus der privaten Momentaufnahme ein umfassenderes Gesellschaftsbild zu generieren, als es die aktuelle politische Berichterstattung könnte.
    Die Situation bringt aber auch mit sich, daß der Dreh selbst zum Thema wird. „Gestern haben sie sogar die Hühner gefilmt“, lautet die humorvollere Variante. Unheimlich wird es, wenn Hosseins Mutter verzweifelt die Stimme senkt und in die Kamera flüstert: „Sie (Shaima) soll verschwinden!“ Oder wenn Shaimas Mutter und Schwestern plötzlich verstummen, als der Hausherr das Wohnzimmer betritt. Betretenes Schweigen – mit Sicherheit auch im Kino. Die Kamera wird zwangsläufig zum Verbündeten.