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  • Alptraum als Lebenslauf - Das Zeugnis der Georgia T.

    PRESSESTIMMEN

    Heinz Kersten über den Film:

    ... 92 000 Frauen haben Ravensbrück nicht mehr lebend verlassen. Der Film "Alptraum als Lebenlauf" war ein Film gegen das Vergessen. Er sorgte für das notwendige Erinnern ganz ohne Archivmaterial durch eigene ruhige Bilder, die mir nach der Bilderflut von Mannheim immer noch im Gedächtnis geblieben sind, jetzt auch als Kontrast zur unpersönlichen Optik des Fernsehens. Da spürte man etwas von Bemühen um eine spezifische Ästhetik des Dokumentarfilms, wie sonst leider nur bei ganz wenigen Beiträgen dieses Genres in Mannheim.
    Der Tagesspiegel, 13.10.1982


    Ron Holloway über den Film:

    ... Georgia T. beginnt ihren Film mit der Feststellung, dass sie eigentlich keine Identität hat. In Bulgarien geboren, ging sie kurz vor Ausbruch des Krieges nach Polen. Dort wurde sie von den einmarschierenden Deutschen als "Unerwünschte Person" verhaftet, aber nach einiger Zeit aus dem Gefängnis entlassen. Sie begann sofort, im Untergrund zu arbeiten, wurde aber schließlich wieder verhaftet und blieb bis zum Ende des Krieges inhaftiert. Ihr Schicksal war Ravensbrück, ein Frauen-Konzentrationslager, in der heutigen DDR gelegen. Georgia T. ist eine genaue und bewegende Erzählerin, die dem Zuschauer die Möglichkeit bietet, zu sehen, zu hören und nachzudenken. Ihr Bericht beschäftigt sich mit zwei Arten von Erfahrungen: Zum einen damit, wie die weiblichen Gefangenen behandelt wurden, mit Tötungen, der Trennung von Müttern und Töchtern und mit Demütigungen, mit allem, was vorstellbar ist, um einen Menschen in den Augen der rassistischen KZ-Aufseher bis zum Äußersten zu entwürdigen. Zum anderen vermittelt uns Georgia T., wie trotz allem ihr Überlebenswille ungebrochen bleiben konnte: Sie spricht von den Hoffnungen und den Gerüchten, davon, dass sie mit ihren Deutschkenntnissen unentbehrlich für die Verständigung zwischen Bewachern und Gefangenen wurde und von der Notwendigkeit, die Menschlichkeit zu bewahren, um sich im täglichen Kampf ums Überleben gegenseitig helfen zu können. Höhepunkt und Abschluß der KZ-Gefangenschaft ist die Ankunft der russischen Truppen, als die Frauen über die Landstraße getrieben und plötzlich in einem Wäldchen von ihren Bewachern allein gelassen wurden. Im Zusammentreffen mit den Befreiungstruppen findet der Bericht einen menschlichen Abschluß. Obwohl Georgia T. mit einem tödlichen Schicksal konfrontiert war, hat sie die faszinierende Fähigkeit, über beide Arten ihrer Erfahrungen mit angemessenen Worten zu berichten.
    Das Bedeutsame an diesem Dokumentarfilm liegt darin, daß er uns vor Augen führt, wie ein Mensch seine Würde bewahrte, obwohl er wahrhaftig Alpträume für mehr als ein Leben zu erleiden hatte. Es ist erstaunlich, die maßvollen Sätze und überlegten Feststellungen über Vergangenheit, Zukunft und deren Gegenwart zu hören, wie sie ruhig und bestimmt vor der Kamera vorgetragen werden. Die Kamera (Ingo Kratisch) begleitet und unterstützt diese persönlichen Worte mit angemessenen Bildern von der Landschaft um Ravensbrück und von Ost-Berlin; die ruhige, eindringliche Musik Arnold Schönbergs rundet das Porträt in einfühlsamer Weise ab. Ein Dokumentarfilm über einen Menschen, der, obwohl kein Jude, durch ein Fegefeuer, ähnlich dem Holocaust,ging.
    (Variety,13.11.82.Aus dem Amerik.)