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  • An der Saale hellem Strande - Ein Kulturhaus erzählt

    PRESSESTIMMEN

    AN DER SAALE HELLEM STRANDE

    Wir wollten einen gebildeten Arbeiter, sagt Hans Bentzien, der ehemalige Kulturminister der DDR. So wurden in den 1950er-Jahren rund tausend Kulturhäuser gebaut, vor allem in Dörfern und in der Nähe von Großbetrieben. Dass die DDR damit weit über ihre materiellen Verhältnisse lebte, erschien zunächst zweitrangig. Im Gegensatz zu anderen hochoffiziellen Kampagnen, die gern dem Spott anheim fielen, machten die Kulturhäuser durchaus Sinn. Sie ermöglichten die kostengünstige Teilnahme an Konzerten, Ausstellungen oder Theateraufführungen, aber auch die eigene künstlerisch-schöpferische Tätigkeit.

    Peter Goedel und seine Co-Autorin Helga Storck erzählen in „An der Saale hellem Strande“ von einem dieser Zentren: Das „Haus der Freundschaft“ in Schkopau, Kulturhaus der ehemaligen Buna-Werke im mitteldeutschen Chemiedreieck, wurde 1952 errichtet und lockte bis in die frühen 1990er-Jahre Hunderttausende Besucher an. Der Film erinnert zunächst an die sowjetischen Kulturoffiziere, die mit Kunst und Kultur die antifaschistische Umerziehung der Deutschen befördern wollten. Mitarbeiter des Kulturhauses und Mitglieder verschiedener Hobbyzirkel werden nach ihren Erfahrungen befragt. Hinzu kommen Originalaufnahmen. Helene Weigel reiste mit ihrem Berliner Ensemble gern nach Schkopau; Walter Felsenstein nutzte den Theatersaal als Ausweichspielstätte für seine Berliner Komische Oper; hier gastierten der Dresdner Kreuzchor und die Mailänder Scala, Marcel Marceau und David Oistrach, das Bolschoi-Ballett und Eduard von Winterstein als „Nathan der Weise“. Und natürlich die nahe gelegenen Theater aus Halle, Leipzig, Weimar, Eisleben, Wittenberg, Bernburg, wobei die Eintrittspreise kaum höher waren als zwölf Mark pro Karte. Der Grundtenor gegenüber diesem heute fast utopisch anmutenden kulturgeschichtlichen Kapitel ist wohlwollend. Dabei werden staatliche Reglementierungen nicht ausgeklammert: natürlich dienten die künstlerischen Arbeitsgemeinschaften auch dazu, „Wildwuchs“ abseits der ideologischen Bahnen zu verhindern. Die Kulturarbeit war stets mit einem politischem Auftrag verbunden, auch wenn der in der Praxis nicht sehr ernst genommen wurde. In der AG Amateurfilm entstanden keineswegs experimentell-subversive Produktionen, sondern didaktische Beiträge, die zur Aufgabe hatten, „die Produktivität zu stärken, die Arbeitsmoral zu verbessern, Neuerervorschläge zu bekommen“.

    Das Arbeiterballett tanzte neben dem „Kalten Herzen“ nach Wilhelm Hauff und der „Lachenden Maske“ nach Victor Hugo auch eine selbst erdachte Choreographie „Zwei fanden den Weg“, über eine arbeitslose Frau aus dem Westen, die ihr Glück schließlich in der DDR findet, während ihr ebenfalls arbeitsloser Freund von der Fremdenlegion angeworben wird. Das sei zwar Propaganda gewesen, aber: „Uns war das egal. Wir haben getanzt, und das war für uns das Wichtigste.“ Insgesamt sei eine „fantastische Vermittlung von Lust“ gelungen, Kunst zu genießen und selber zu machen. Während der harten 12-Stunden-Schichten organisierte das Kulturhaus Pausenkonzerte für die Arbeiter. Die Bücherkiste der Leihbibliothek kam direkt an den Arbeitsplatz. Die Tanzgruppe fuhr zu Trainingslagern an die Ostsee, nach Ungarn oder in die Sowjetunion, ohne dass dafür Urlaub genommen werden musste.

    Goedel und Storck verzichten auf einen Autorenkommentar, obwohl er in manchen Passagen unverzichtbar gewesen wäre. So hätte die SED-Kulturkonferenz von 1959, die als „Bitterfelder Konferenz“ in die Historie einging, dringend einer wertenden Einordnung bedurft. Nicht grundlos wurde der „Bitterfelder Weg“, der eine „enge Verbundenheit von Kunst und Leben“ beschwor und Schriftsteller dazu anhielt, Stoffe aus dem Betriebsalltag zu filtern, später gern als „bitterer Feldweg“ verspottet. Die Problematik der vergifteten Umwelt rund um Schkopau und Bitterfeld wird anhand von Fotos aus dem Kulturhaus thematisiert.

    Dass die besten Zeiten des Hauses nicht erst 1990, sondern schon in den 1970er-Jahren zu Ende gingen, lässt sich einer Aussage von Hans Bentzien entnehmen, dass unter Honecker die Ansprüche zurückgeschraubt worden seien; Brot und Spiele hätten von da an dominiert. Nach der Privatisierung der Bunawerke interessierte sich der neue Besitzer nicht für das Kulturhaus; die Kleinstadt hatte keine finanziellen Reserven, um es zu erhalten. Am 31. Dezember 1998 wurden Strom und Wasser abgestellt; seitdem döst es dahin. Über die Bilder der heutigen Ruine liegt das alte Lied von den einst stolzen Burgen und Schlössern an der Saale, deren Dächer jetzt verfallen. Eine Metapher, in der Melancholie, auch Nostalgie mitschwingt. Zwar nicht mit der untergegangenen DDR, wohl aber mit einer Idee von allgemein zugänglicher Bildung und Kultur, deren Kern heute noch immer, wenn auch aus weiter Ferne, zu leuchten vermag.
    Film-Dienst - Ralf Schenk
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    VORBILD UND NICHTS VERGESSEN

    »Die Kunst gehört dem Volke, sie muss ihre tiefsten Wurzeln in den breiten schaffenden Massen haben« - ein programmatisches Wort Lenins schmückt den Bau in Schkopau. Und das ist folgerichtig, denn im Kulturpalast Buna fand Kultur für und zum Teil auch von Werktätigen statt. Von seinem nichtssagenden Titel einmal abgesehen - oder heißt es im Lied: »stehet Buna stolz und kühn«? - erzählt der Dokumentarfilm in gespannter Ruhe die Geschichte dieses Hauses mit Vorbildcharakter. Er gibt vom Malkurs und Schachturnier bis zum großen Konzert und Bühnenstück einen Einblick in die vielseitige Nutzung des Kulturhauses, welches beispielhaft sein sollte für die Demokratisierung der Bevölkerung nach dem Nationalsozialismus.
    Bisher unveröffentlichtes Archivmaterial und das Zu-Wort-Kommen vieler Beteiligter und mancher Verantwortlicher ermöglichen einen relativ unverstellten Blick auf das Unterfangen, eine proletarische Kultur als Gemeinschaftswerk zu gestalten. So vermittelt sich auf diese Art auch ein viel gescholtenes Menschenbild, das, vom realpolitischen Zwangscharakter der DDR abgesehen, an sich so finster nicht ist. Und die durchschimmernde Warnung vor der Indienstnahme der Kultur gilt auch heute.
    Wenn Helmut Kohl, nach dem kurz eingeblendeten Ernst Busch mit dem »Arbeitereinheitsfront«-Lied auf den Lippen, Buna eine Zukunft verspricht, auf die alle stolz sein könnten, ist das schon gallige Ironie. Öd und leer steht der Bau heute in der Gegend - zuletzt war es gescheitert, hier eine Großraumdisko unterzubringen. Drastisch stellt der Film den kulturellen Verlust für die Bevölkerung dar - und ist auch unheilschwangeres Zeichen eines kommenden Kahlschlags, der bereits »dräut«.
    Kreuzer Leipzig - Tobias Prüwer

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    WIE IST DAS ALLES IMPOSANT!

    Herr Kohl, ruft ein Mann in breitestem Anhaltinisch, kommse mal, ich möchte Ihnen die Hand schütteln! Eine Szene aus dem Jahre 1990, als der Bundeskanzler auch das mitteldeutsche Chemiedreieck besuchte und den Arbeitern versprach, die »Zukunft für die Region sichern« zu helfen. Peter Goedel setzt diese Worte an den Anfang seines Films »An der Saale hellem Strande«, konterkariert sie aber mit Bildern des Abbruchs: In den Schkopauer Buna-Werken zum Beispiel sank die Zahl der Arbeitsplätze schlagartig von 19 000 auf 2600; Betriebsanlagen wurden gesprengt, große Teile der klassischen Industrielandschaft verschwanden.

    Goedel und seine Co-Autorin Helga Storck halten sich freilich nicht lange bei den Geschehnissen am Ende der DDR auf; erst ganz zum Schluss schließt sich dieser knappe Rahmen. Dazwischen, fast anderthalb Stunden lang, tauchen sie in die filmisch bisher noch nie erzählte Geschichte des Schkopauer »Hauses der Freundschaft« ein, das 1952 auf Geheiß sowjetischer Offiziere erbaut wurde und zu den mehr als tausend Kulturhäusern zählte, die vor allem in den 1950er Jahren in DDR-Industriegebieten und auf dem Land errichtet wurden. Goedel nennt diese flächendeckende Anstrengung ein »Kulturwunder«, vergleichbar mit dem »Wirtschaftswunder« im Westen. Dass in heutigen Medien über das Wirtschaftswunder viel, über das Kulturwunder aber wenig zu lesen und zu hören ist, hat den 1961 aus der DDR in die BRD übergesiedelten Regisseur heftig gewurmt; und dass sich der Mitteldeutsche Rundfunk als »zuständiger« Sender seinem Schkeuditz-Projekt verweigerte, noch mehr. Goedel: »Selbst Spuren positiver Erinnerungen an die DDR-Vergangenheit waren verdächtig und wurden als Thema abgelehnt.« Partner für den Film fand der Regisseur schließlich beim Bundesbeauftragten für Kultur und Medien und, kaum zu glauben, beim Bayerischen Rundfunk.

    Das Kulturhaus in Schkopau war über drei Jahrzehnte Heimstatt vieler Laienzirkel, von Chören über Tanzgruppen, Film- und Fotozirkel bis zu bildenden Künstlern. Ehemalige Mitarbeiter des Hauses und Mitglieder der Arbeitsgemeinschaften erinnern sich, fast ausschließlich wohlwollend: Das Haus war ihnen eine Art Heimstatt, auch wenn sie gelegentlich ein propagandistisches Ballett tanzen oder ein Kampflied singen mussten. Man erfährt, wie offiziell vorgegebene Themen unterlaufen wurden: Die Laienfotografen sollten zwar »Kampf um Karbid« gestalten, aber sie nutzten den Auftrag, um über Menschen an ihrem Arbeitsplatz, die zunehmend verrottende Umwelt zu erzählen, auch die Müdigkeit im Blick des Einzelnen zu zeigen.

    »An der Saale hellem Strande« berichtet nicht nur über die kulturellen Aktivitäten von Arbeitern, sondern erinnert auch an das, was der Staat ihnen an Hochkultur zubilligte. Kaum zu glauben, wer in Schkopau alles auftrat: Marcel Marceau und das Königlich-Schwedische Ballett, Helene Weigel mit ihrem Berliner Ensemble und Walter Felsenstein, der während eines Umbaus der Komischen Oper das Schkopauer Haus als Ausweichspielstätte nutzte. Zitate aus klassischen Aufführungen, die hier zu sehen waren, werden von Goedel als Metaphern genutzt: wenn Hanns Nocker in »Hoffmanns Erzählungen« das Lied anstimmt, »Wie ist das alles imposant«, meint das im Gefüge des Films auch das Schkopauer Haus selbst. An manchen Stellen wird der freundliche Rückblick aber auch gebrochen: Hans Bentzien beispielsweise, ehemaliger DDR-Kulturminister, weist zu Recht darauf hin, dass das Kulturwunder im Grunde schon in den 1970er Jahren passé war: Honeckers »Brot und Spiele« hätten zunehmend ein Niveau bekommen, »dass du daran eingehst, geistig«.

    Heute ist das Kulturhaus eine Ruine. Dass der Film noch einmal dessen alte Größe beschwört, ohne dem seit zwei Jahrzehnten herrschenden Zeitgeist zu huldigen und sich a priori spöttischer Distanz in Sachen DDR zu befleißigen, macht ihn sympathisch und wichtig.
    Neues Deutschland - Martin Mund
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    "AN DER SAALE HELLEM STRANDE..."
    Die Dokumentation von Helga Storck und Peter Goedel befasst sich mit der DDR-Kulturpolitik.


    In Staat und Wirtschaft ist die Arbeiterklasse der DDR bereits Herr, jetzt muss sie auch die Höhen der Kultur stürmen", stellte Walter Ulbricht 1958 fest. Probates Mittel des Gipfelsturms waren die Kulturhäuser, die nach dem Krieg aus dem Boden der DDR zu sprießen begannen und in denen an der Bildung des sozialistischen Bewusstseins gearbeitet wurde.
    Eines der traditionsreichsten unter ihnen war das Klubhaus der Bunawerke in Schkopau. An seinem Beispiel zeichnen Storck und Goedel schwerpunktmäßig die DDR-Kulturpolitik der 1950er- und 1960er-Jahre nach und enthalten sich dabei weitgehend ideologisch wertender Kommentare.
    TIP Berlin - Alexandra Seitz
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    AN DER SAALE HELLEM STRANDE - EIN KLUBHAUS ERZÄHLT

    Nicht nur Plaste und Elaste wurde in Schkopau produziert, sondern auch Kultur. Schließlich besaß das Chemiewerk Buna auch eines der bedeutendsten Kulturhäuser der DDR. Dort sollte der „neue Mensch“ seine Freizeit „sinnvoll“ gestalten, sich entwickeln, an Kultur erbauen und selbst welche schaffen – natürlich unter Aufsicht und Anleitung des Staates. Helga Storck und Peter Goedel erzählen mit Aussagen von Zeitzeugen und Archivmaterial die Geschichte dieses Kulturhauses, drohen jedoch dem schönen Schein der Diktatur zu erliegen: Ihr Film, der auf einen gesprochenen Kommentar verzichtet, wirkt so, als habe es im „Haus der Freundschaft“ Repressionen und unsinnige Eingriffe ideologischer Betonköpfe nie gegeben. Gleichwohl eine interessante Reise in eine immer fremder werdende Zeit. DDR-Nostalgisch.
    Tagesspiegel - Jan Gympel
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